1) Wann und warum haben Sie Erzählvorgänge im Internet in Ihren Fokus genommen?


wortstark
: Herr Professor Müller, Sie unterrichten im Studiengang Medienwirtschaft an der Hochschule der Medien in Stuttgart und befassen sich einerseits intensiv mit narrativen, das heißt traditionellen erzählerischen Methoden in der Gruppe und andererseits mit den elektronischen Medien im Sinne des „social web“. Wann und warum haben Sie Erzählvorgänge im Internet mit in Ihren Fokus genommen? Gab es dafür einen besonderen Auslöser, ein Schlüsselerlebnis?

Prof. Müller: Ich beschäftige mich schon immer mit erzählerischen Methoden und dabei ebenfalls schon immer nicht nur mit mündlichen, sondern auch mit medialen. Ich bin ja von Haus aus Germanist und da hat man es mit medial vermittelten Inhalten zu tun, mit Büchern, mit Filmen. Als Medienwissenschaftler beschäftige ich mich dann natürlich auch damit, wie narrative Formen im Internet realisiert werden, zum Beispiel in social media.

wortstark: Gab es einen Auslöser dafür und ab wann war das?

Prof. Müller: Es gab keinen besonderen Auslöser, sondern mit dem Entstehen des Internets hat sich seit 1995 mein Interesse an Erzählungen in diesem Medium entwickelt. Damals habe ich für CD-ROMs und später auch fürs Internet Spiele entwickelt für Marketingzwecke. Ab 2007/ 2008 beschäftige ich mich mit dem Social Web. Ich habe in der Zeit Online-Startups narrativ beraten, die Internetfirmen und Netzwerke betrieben und war somit beruflich damit befasst – und natürlich auch privat, weil meine Kinder in Netzwerken unterwegs waren.

2) Unterschiede zwischen dem persönlichen Erzählen versus online


wortstark:
Aha, danke. Was sind nun eigentlich die Gemeinsamkeiten und was sind die Unterschiede zwischen dem Erzählen im persönlichen zwischenmenschlichen Kontakt und online? Eine meiner eigenen Beobachtungen ist zum Beispiel, dass Leute mehr Ausdauer haben, jemandem zuzuhören, der persönlich mit ihnen spricht, als längeren Monologen auf dem Bildschirm ihre Aufmerksamkeit zu schenken? An mir selbst merke ich das vor allem bei den Amazon-Buchbewertungen: Da lese ich nur die kurzen, denn wenn einer meint, dass er da gleich selber ein Buch schreiben muss… so genau will ich dessen Meinung nicht wissen. Was haben Sie denn hierzu herausgefunden?

Prof. Müller: Das persönliche Erzählen face-to-face unterscheidet sich grundsätzlich vom medialen, egal ob das ein Buch ist oder ein Film oder online geschieht. Denn im zweiten Fall ist die Geschichte immer schon fertig erzählt. Im mündlichen Erzählen dagegen entsteht die Geschichte in dem Moment, in dem sie erzählt wird, und ich habe als Zuhörer auch Einfluss darauf, wie die Geschichte weitergeht. Wenn ich als Zuhörer  über eine bestimmte Art von Scherz besonders lache, wird der Erzähler darauf aus sein, mehr von diesen Scherzen einzubauen. Wenn ich aber anfange zu gähnen, wird der Erzähler diese Episode schneller zu Ende bringen. Erzählen im Internet ist mediales Erzählen, aber inzwischen entstehen dort ja auch neue Formen, das sogenannte kollaborative Erzählen. Das beginnt mit sogenannter Fan-Prosa, wenn Fans von Harry Potter, anfangen, selber Geschichten weiterzuschreiben, gemeinsam zu schreiben. Das geht bis dahin, dass Leute versuchen, Twitter-Romane zu schreiben, also jeder hat nur diese 140 Zeichen und daraus wird eine Story. Die Erzähler sind zwar dann auch miteinander im Kontakt, aber nie unmittelbar wie im mündlichen Erzählen, sondern immer zeitversetzt. Ein Erzählpartikel ist dann ebenso fertig wie im Film oder Buch, und die Reaktion erfolgt zeitversetzt.

wortstark: Ja und die Reaktion ist ja auch nicht nonverbal, wie als wenn ich jetzt zum Beispiel meinetwegen ganz tief durchschnaufe nach Ihrem letzten Satz, so was gibt es ja nicht?

3) Inwieweit werden Seminare durch Webinare ersetzt?

Prof. Müller: Genau, die nonverbale Reaktion fällt weiterhin weg. Und das sind ja auch die gleichen Gründe, warum übrigens Seminare meiner Meinung nach weiterhin ihren Platz haben werden und nicht durch Webinare ersetzt werden können. Bei einem Präsenztraining kann ich am Gesichtsausdruck eines Studenten eine Frage erahnen, die er sich vielleicht noch nicht zu stellen getraut. Das geht aber nicht, wenn ich meinen Stoff nur in eine Kamera hineinspreche. Ein Webinar ist für mich nur eine Notlösung, wenn es nicht anders geht, weil zum Beispiel die Studenten zu weit verstreut wohnen. Das Präsenzseminar wird weiterhin der Königsweg bleiben.

wortstark: Was Sie sagen, betrifft ja nicht nur die Weiterbildung sondern die mehr oder weniger medial vermittelte Unternehmenskommunikation insgesamt, oder?

Prof. Müller: Ja. Wenn Sie Videokonferenzen erleben, die sind wesentlich anstrengender als ein persönliches Treffen.

wortstark: Und die Kamera guckt nie dahin, wohin ich gern gucken würde!

Prof. Müller: Ja, das auch. Noch ein Nachtrag zum Thema Anstrengung. Sie hatten ja eingangs gesagt, Sie lesen ungern langen Texte am Bildschirm. Damit sind Sie in guter Gesellschaft, denn die meisten Leute drucken sich nach wie vor längere Texte lieber aus bevor sie sie online lesen. Von meinen Studenten sagen heute immer noch 18 von 20, sie drucken aus. Nur zwei, meistens männlich, meistens technik-affin, lesen alles am Bildschirm.

4) … und Bücher durch E-Book-Lesegeräte?


wortstark:
Wie ist das eigentlich mit dem E-Book-Lesegerät? Benutzen Sie eins oder lesen Sie normale Bücher?

Prof. Müller: Ich liebe meinen E-Book-Reader! Ich bin ja viel unterwegs und habe so immer eine Menge Bücher dabei. Wenn ich allerdings viel auf dem E-Book-Reader gelesen habe, packt mich wieder die Sehnsucht nach einem Buch, das man auch riechen und anfassen kann… –

wortstark: Haben Sie jetzt wirklich „riechen“ gesagt? Ich unterteile bei Büchern nicht nach dem Geruch.

Prof. Müller: Doch, ich schon. Jedes neue Buch schlage ich auf und jedes riecht anders. Also ich schätze die Vorteile von beidem, von E-Books und von richtigem Büchern.

5) Gemeinsamkeiten zwischen persönlichem und medial vermitteltem Erzählen

wortstark: Danke. Mir fällt gerade auf: Wir schauen die ganze Zeit auf die Unterschiede. Gibt es eigentlich auch Gemeinsamkeiten zwischen persönlichem und medial vermitteltem Erzählen?

Prof. Müller: Die größte Gemeinsamkeit ist die Struktur: So wie Aristoteles schon gesagt hat, besteht eine Erzählung aus einem Anfang, einer Mitte und einem Schluss. Sie geht also irgendwann los, dann kommt es zu einer Transformation und dann zu einem Endzustand, der sich vom Anfangszustand unterscheidet. Jede Geschichte braucht diese Elemente. Das wird nur in jedem Medium anders umgesetzt. Wobei auch mehrere Medien mitwirken können: Es gibt ja zur Zeit das Schlagwort vom „transmedialen Erzählen“.

wortstark: Aha? Erzählen Sie gerne mehr…

Prof. Müller: Es wird mit Erzählungen experimentiert, die sich mehrerer Medien bedienen, also eine Geschichte fängt zum Beispiel im Fernsehen an und wird online weitererzählt. Es gibt aber auch Geschichten, die online anfangen, und dann bekommen die Leser E-Mails, die weitere Informationen verraten und den Teilnehmer auf eine neue Spur bringt. Hier überschreitet das Erzählen die Grenze zum Spiel. Ein weiteres Beispiel ist „Cathies Book“, ein Jugendbuch, in dem hinten drin in einer Plastiktüte Visitenkarten, Restaurant-Rechnungen und so weiter drinstecken und der Leser muss die Geschichte selbst rekonstruieren.

wortstark: Witzige Idee – und wer hat dafür die Zeit?

Prof. Müller: Ja, ich bin auch kritisch, ob sich das als genuine Erzählform durchsetzt, weil es eben wie Sie schon sagen, sehr zeitaufwändig ist. Hinzu kommt, dass viele Menschen deswegen gerne Geschichten hören, weil sie sich eben nicht selber alles zusammenreimen möchten. Wir wollen sie präsentiert bekommen, wir wollen unterhalten werden, wir wollen den Rezipientenstatus.

wortstark: Eben! So hat es doch auch mal angefangen, dass am Lagerfeuer einer aufsteht und erzählt, oder? Der hat doch bestimmt nicht mittendrin zu seinen Steinzeitkollegen gesagt, „so, jetzt erzählt Ihr mal schön selber weiter“… Kann ich mir nicht vorstellen. Zuhören ist doch oft schon stressig genug, aber man will doch nicht auch noch alles selbst zusammensetzen – vielleicht am ehesten noch beim Krimi, oder?

Prof. Müller: Selbst beim Krimi lasse ich mir den Inhalt lieber vorführen.

wortstark: Verstehe ich. – Wir bewegen uns jetzt mit dem Erzählthema eher im Privaten. Gibt es eigentlich auch einen Bezug zur Wirtschaftswelt in diesem Zusammenhang?

Prof. Müller: Oh ja: Die letzten zehn, zwölf Jahre hat sich die Wirtschaft sehr verändert im Hinblick auf das Erzählen, man spricht sogar von einem „narrative turn“ bei Unternehmen. Als wir in den 90er Jahren mit unserem Storytelling-Ansatz auf die Firmen zukamen, wurden wir noch wie Außerirdische betrachtet: „Was, mit Märchenerzählen wollen Sie uns kommen?“ Inzwischen ist jeder Abteilung für Unternehmenskommunikation klar, dass Geschichtenerzählen eines der stärksten Mittel ist, Botschaften an den Mann oder die Frau zu bringen.

6) Verhältnis von Stiftung Warentest-Urteilen oder PR zu heutigen Kundenforen?


wortstark
: Das bringt mich gleich zur nächsten Frage: Früher bemühten sich die produzierenden Firmen um gute Bewertungen bei Stiftung Warentest oder um gute PR, heute verlassen sich viele Menschen mehr auf das Urteil anderer Verbraucher und schauen in Foren hinein, wo Kundenmeinungen stehen. Gibt es Erkenntnisse darüber, wie wirksam heute was ist?

Prof. Müller: Es ist immer noch so, dass klassischer Journalismus und klassische PR wichtig sind, und zwar weil sie das Agenda-Setting verantworten, also welche Themen überhaupt diskutiert werden. Ob das die Tagesschau ist oder der SPIEGEL, auch SPIEGEL-online. Ich denke aber, dass in vielen Bereichen die Foren ernst genommen werden oder jedenfalls werden sollten.
Ein Beispiel: Employer Branding. Die Firma will als toller Arbeitgeber gelten und kommuniziert nach außen, wie toll sie ihre Mitarbeiter behandelt. Und dann finden sich im Netz, auch anonym, viele Berichte von ehemaligen oder aktuellen Mitarbeitern darüber, wie bescheuert der Laden ist. Das zeigt für mich eine positive Tendenz, denn das Internet wirkt als Korrektiv: Die Firma kann nicht einfach irgendwas behaupten, was nicht wahr ist. Wer Employer Branding macht oder etwas über seine Produkte sagt, muss erst mal schauen, dass das Arbeitsklima wirklich gut ist, oder auch die Produkte, weil sowieso nach außen dringt, wie es wirklich ist. Früher hatte sich die Unternehmenskommunikation von der Realität oft losgelöst, und im Moment beobachte ich in den Firmen ein Erstaunen darüber, dass die One-Way-Kommunikation von früher nicht mehr funktioniert. All die Produktbewertungen und Empfehlungsforen bringen die Firmen dazu, sich wieder zu erden und wirklich so zu werden, wie sie gerne wahrgenommen werden wollen.

7) Liest eine Suchmaschine in „Gute-Frage.net“ oder facebook hinein?


wortstark:
Hm. Manchmal bin ich schon dankbar, vor irgendwelchen Betrügern gewarnt zu werden. Ich wollte mir neulich im Internet ein relativ teures Technikteil bestellen und habe dank der Warnungen durch Kundenmeinungen gerade noch entdeckt, dass mein Lieferant eine – gut getarnte – Briefkastenfirma war. Die hätten das Geld eingesackt und es wäre nie eine Ware gekommen. Ich habe den Namen der Firma „froschtec“ eingegeben und „Kundenmeinungen“, so wurde ich zum Glück fündig. Aber kann denn eine Suchmaschine in die ganzen Foren, also zum Beispiel Einträge bei „Gute-Frage.net“ oder auch Einträge bei facebook, überhaupt hineinlesen?

Prof. Müller: Ja klar, Suchmaschinen wie Google finden auch Einträge bei „Gute-Frage.net“. Deswegen sind die ja auch so erfolgreich, weil die Stichwörter über Google gefunden werden können.

wortstark: Und bei Facebook? Wenn da einer zum Beispiel über Sie als Professor Müller etwas sagt, findet man das?

Prof. Müller: Das kommt darauf an, ob es in einer geschlossenen Gruppe gesagt wird, oder in einem offenen Bereich in Facebook, der sozusagen öffentlich zugänglich ist. Dort finden sich ja auch Firmenpräsentationen.

wortstark: Ja, hab ich auch, und zwar auch bei Facebook:

http://www.facebook.com/pages/wortstark-Kommunikationsberatung/257897554257202

http://www.facebook.com/pages/KFS-Kommunikationsf%C3%BChrerschein/242300859159360

http://www.facebook.com/pages/LKW-Lerntagebuch/201451956622986

Aber ich käme nicht auf die Idee, in den Einträgen meiner Freunde dort herumzusuchen, welche Empfehlungen die aussprechen oder auch nicht. Meine beiden Neffen denken da vermutlich anders, die sind ständig in Facebook unterwegs, aber ich hab noch mehr zu tun – mir wäre das viel zu zeitaufwändig!

Prof. Müller: Das ist unter Studenten auch so, aber viele sehen es auch kritisch: Sie würden eigentlich gar nicht ständig auf Facebook sein wollen, aber sie kriegen sonst nicht mit, wenn man sich abends noch auf ein Bier verabredet. Dafür ist das Medium E-Mail out. Aber auch der Austausch von Lernmaterialen für Seminare geschieht häufig über Facebook. Den Studierenden bleibt oft gar nichts anderes übrig, als in Facebook zu sein.

8) „Shitstorm, candystorm“: Wie merkt ein Unternehmen, woher der Wind weht?


wortstark:
Erstaunlich, dass das gar nicht so freiwillig passiert.- Reden wir gleich mal von einem anderen Online-Platzhirsch, nämlich Amazon. Dort ging der Skandal zwar über einen ARD-Fernsehbeitrag los, aber Skandale um Firmen oder Menschen können sich heute schneller denn je im Internet zusammenbrauen – „shitstorm“ – oder es passiert das Gegenteil, nämlich schneeballartige Sympathieaktionen – „candystorm“ wie bei der GRÜNEN-Politikerin Claudia Roth, die via Facebook von ihren Fans zur erneuten Kandidatur ermutigt wurde. Wie kann sich ein Unternehmen heute aufstellen, um frühzeitig mitzubekommen, wie gerade der Wind weht – ohne sein operatives Geschäft aus den Augen zu verlieren?

Prof. Müller: Es gibt ja inzwischen Software dafür, „social monitoring“-Systeme. Die Software kann in vielen Fällen sogar auch schon filtern, ob Bewertungen negativ sind, indem das Auftreten zusammen mit negativen Begriffen registriert wird. Das Fraunhofer-Institut hat hierzu eine Studie gemacht.    http://www.iao.fraunhofer.de/lang-de/component/content/article.html?id=590&lang=de

wortstark: Was sollten denn kleine Firmen tun oder Einzelpersonen? Was machen Sie zum Beispiel selber?

Prof. Müller: Mit dem Sammeln von Daten ist das Problem ja noch nicht gelöst. Schlimmer ist eigentlich: Sind erst mal Aussagen im Netz, kriegen Sie die nicht mehr raus. Bettina Wulff ist das beste Beispiel. Über die Frau des Bundespräsidenten wurde behauptet, dass sie früher mal Prostituierte war. Das ist nachweislich falsch. Man vermutet sogar, dass das politische Gegner gepostet haben. Das Ganze wurde publik, als der Tagesspiegel einen Artikel darüber gemacht hat und danach hat Günther Jauch in seiner Talkshow diesen Artikel aufgegriffen i. Spätestens da wusste jeder, dass es dieses Gerücht gibt. Bettina Wulff hat dann geklagt, was aber nichts half. Wenn es erst mal drin ist – das Netz vergisst nichts.

wortstark: Was hätte sie denn machen sollen, anstatt zu klagen?

Prof. Müller: Wenn früher in einem Dorf jemand sich einen Fehler geleistet hat, zum Beispiel besoffen war, dann war er für eine Weile Gesprächsthema, aber mit der Zeit vergessen die Dorfbewohner es. Im Internet ist das anders: Alles ist weiterhin da. Da kann man nur versuchen, selber für so viele neue Nachrichten zu sorgen, dass die alten,  negativen nach hinten rutschen. Aber es genügt ein Funke, um das Feuer wieder anzuzünden…

9) Erste Hilfe nach Skandalen: aktives Nachschieben von Informationen – was noch?


wortstark:
Also aktives Nachschieben von Informationen ist eine Lösung. Gut. Gibt es weitere Tipps?

Prof. Müller: Nehmen wir den Elchtest bei der Mercedes-A-Klasse. Das Unternehmen hat es geschafft, eine Negativgeschichte in eine Positivgeschichte umzudrehen. Leider sind die meisten Unternehmen nicht souverän genug, um so etwas zu machen. Die versuchen abzuwehren, zu schweigen, zu klagen, anstatt offensiv damit umzugehen und zu versuchen, die Geschichte zu drehen. Das wäre der kommunikative Königsweg.

wortstark: Aber Bettina Wulff hätte doch schlecht sagen können: „Also ich bin so eine gute Liebhaberin, ich hätte im Grunde auch diesen Beruf ergreifen können“?! (lacht)

Prof. Müller: (lacht) Okay, in dem Fall wäre schweigen besser gewesen als zu klagen. Oder tatsächlich offensiv damit umgehen und sagen: „Ich verstehe ja, dass Männer mich begehren, wenn sie mich sehen, aber deswegen müssen sie mir nicht gleich eine Prostituiertenvergangenheit andichten.“

wortstark: Aha, so hätte sich das in der offensiven Variante angehört. Aber ganz ehrlich: Ich glaube, als BetroffeneR ist einem eigentlich nur danach zumute, sich zu wehren und herauszufinden, wer das Gerücht aufgebracht hat. Hat man es je feststellen können?

Prof. Müller: Nein, es ließ sich nicht herausfinden, wer das ins Internet gestellt hat.

wortstark: Ich komme zur offenen Frage: Wenn Ihnen aus Ihrem Kontext noch etwas einfällt, was hier nicht angesprochen wurde, aber Ihnen wichtig ist, dann finden Sie hier Raum dafür…

Prof. Müller: Nein, es ist eigentlich alles gesagt. Wir haben breit über das Thema geredet.

10) Appell an Unternehmen: Ende der Märchenstunden, erzählen Sie lieber nur Wahres


wortstark
: Nö, das geht jetzt aber nicht, Herr Professor Müller. Sie haben gesagt, jede Geschichte braucht ein Ende. Aristoteles! Gilt auch für unser Interview…(lacht) Haben Sie einen Tipp für eine bestimmte Gruppe, für die Jugend oder für Unternehmen?

Prof. Müller: Ja, stimmt, es braucht ein Ende. Für die Unternehmen habe ich den Tipp, dass sie sich mehr darum kümmern, was wirklich intern geschieht, bevor sie sich nach außen darstellen. Denn es gibt jetzt nicht mehr nur einen Sender, sondern viele. Wenn sie nach draußen Geschichten erzählen, werden sie immer mit der internen Realität verglichen.

wortstark: Jetzt fällt mir noch eine Anschlussfrage zu den privaten Empfehlungen ein: Bei den Kundenmeinungen von Amazon heißt es ja inzwischen, die sind alle geschönt, weil sie von Freunden oder eigenen (Vertriebs)-Mitarbeitern geschrieben wurden. Thema Glaubwürdigkeit. Wie kann man Dritte gut und glaubwürdig im Internet über sich sprechen lassen?

Prof. Müller: Da hilft eigentlich nur Aufhebung der Anonymität. Wer mit seinem Namen und am besten noch mit E-Mail-Adresse etwas über ein Produkt oder eine Dienstleistung sagt, hat eine höhere Glaubwürdigkeit. Jeder kann ihn anschreiben. Was natürlich andererseits wieder ein Spam-Einfallstor ist.

wortstark: Ja eben, es stellt doch nicht jeder gern seine E-Mail-Adresse irgendwo frei für jemand anderen ins Internet…

Prof. Müller: Oder man schreibt als Anbieter untendrunter: „Wir stellen gerne den Kontakt her.“

wortstark: Das nehme ich gleich als Schlusswort: Vielen Dank für diesen hochinteressanten und angenehmen Kontakt in Form dieses Interviews!

Michael Müller

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