Von der Luft über dem Boden der Tatsachen

Liebe Leserinnen und Leser,

„Wer meint da, uns sagen zu müssen, wir sollten nicht verlieren den Boden unter den Füßen?

Die Luft dürfen wir nicht verlieren unter unseren Flügeln, die Luft!“

Diesen Gedanken gab mir einst mein sehr geschätzter Deutschlehrer Peter Seidl mit auf den Weg ins Erwachsenenleben, damit sich mein Verhältnis von Träumen versus Realitätssinn auch in der Arbeitswelt nicht sehr verschiebt zugunsten von nüchternem Pragmatismus und grauem Zweckrationalismus.

Im vorliegenden Newsletter geht es auch um Luft, aber weniger als Symbol für Träume sondern ganz pragmatisch: Was bedeutet die Atmung für die Unternehmenskommunikation, das heißt für das überzeugende Sprechen, für die stimmige Stimme, und letztlich für die Persönlichkeitsentwicklung des Individuums? Wie beeinflusst Angst im Job unsere Atmung? Und wie kommen wir aus dieser Lage wieder heraus?

Die Atempägagogin Magdalena Unger bläst so manche Zweifel und Fehlannahmen vom Tisch. Dabei ist die Vermutung, AtempädagogInnen würden sich hauptsächlich um Kranke kümmern, nur eines von mehreren Missverständnissen. Atembehandlung gibt´s nicht auf Rezept – Sie können sich´s nur selbst verschreiben so wie Sie in die Sauna gehen oder Sport treiben, weil es Ihnen gut tut.

Fühlen Sie sich heute dazu eingeladen, sich ganz pragmatisch über die Atmung und ihre Zusammenhänge mit der Persönlichkeitsentwicklung zu informieren. Wenn Sie dann beim Lesen, bei der Selbstbeobachtung und beim Ausprobieren der praktischen Übungen plötzlich merken oder auch nur ahnen, dass sich neue innere Räume auftun, wenn Sie gleichzeitig mehr Luft unter Ihre Flügel bekommen und fester denn je im Boden verwurzelt sind, dann hat dieser Newsletter einmal mehr seinen Zweck erfüllt: Interessante Richtungen aufzeigen, in die es sich weiter zu gehen lohnt.

Guten Flug – mit beiden Beinen fest auf dem Boden – wünscht Ihnen

Ihre Dr. Annette Hartmann

„Einverleibt“: Mit bewusster Atmung zu mehr Gelassenheit im Beruf

wortstark: Frau Unger, Sie sind Atem- und Stimmpädagogin. Einer Ihrer Schwerpunkte ist die Angstbewältigung und Ihr Hauptklientel sind berufstätige Menschen, die in der Arbeit sehr unter Druck stehen. Wie fanden Sie zu Ihrem Beruf und speziell zu diesem Themenschwerpunkt? Gab es hierfür ein Schlüsselerlebnis, gerade bei Angst liegt das ja nahe?

Magdalena Unger: Aus meiner Zeit als Angestellte und Führungskraft in einer Bank kenne ich schon auch das Gefühl, wenn viel Verantwortung auf einem liegt und manches davon einen vielleicht auch überfordert. Angst ist für solche Situationen allerdings ein zu großes Wort, es sind ja keine pathologischen Ängste… Ich spreche lieber von Stress und Stressbewältigung. Da kann die Atemarbeit dem Menschen Sicherheit geben.

wortstark: Aber wie kamen Sie denn von der Bank auf die Atempädagogik? Wie war überhaupt Ihr beruflicher Weg?

Magdalena Unger: Ich habe auf Wunsch meiner Eltern Industriekauffrau gelernt, konnte dort aber zu wenig von meinen Fähigkeiten einbringen. Deshalb lernte ich fünf Jahre später Familienpflegerin, um meinen psycho-sozialen Bereich zu entwickeln. Nach acht Jahren wollte ich dann aber wieder etwas Kaufmännisches tun und begann meine Bankkarriere, wo ich im Laufe von 15 Jahren bis ins mittlere Management kam. Ich war dann Bereichsleiterin für Vertrieb, Werbung und Finanzdienstleistungen.

wortstark: Das ist aber ein buntes Spektrum! Wie kam der Bogen zur Atempädagogik?

Magdalena Unger: Während meiner Bankzeit habe ich einfach gespürt „das will ich nicht bis zur Pensionierung machen“. Und mein Hobby war schon immer Singen. Doch merkte ich dabei, dass ich eine Schwelle hatte, die ich nicht überwinden konnte und ich wusste, das hat mit Atem und Körper zu tun. Ich habe dann an einem Seminar teilgenommen und dachte mir „wow – das will ich machen!“. Zuerst habe ich noch nicht überlegt, was ich damit beruflich anfangen kann . Die Hauptmotivation war, meinen Weg zu gehen.

wortstark: Und woher die Beschäftigung mit der Angst? Immerhin führt ja Ihr Buch diesen Begriff im Titel?

Magdalena Unger: Ja, den Titel „Die Angst bändigen, souverän bleiben! Mit Atemübungen zu mehr innerer Selbstsicherheit“ wählten der Beltz-Verlag und ich deswegen aus, weil sich in einer Studie des Wirtschaftsmagazins „Junge Karriere“ (Heft 6/2003) herausgestellt hatte, dass über 60 Prozent aller Mitarbeiter in deutschen Unternehmen unter Angst am Arbeitsplatz leiden. Zu dem Zeitpunkt, als ich das Buch schrieb, kannte ich das Phänomen schon von vielen meiner KlientInnen.

wortstark: Und selbst? Bei Ihnen persönlich ging´s doch eigentlich ums Singen? Oder hatten Sie Angst beim Singen?

Magdalena Unger: Naja, es ging da schon auch um Auftrittsangst, Lampenfieber und Versagensangst. Von meiner Lebensgeschichte her bin ich mit viel Vertrauen in meinen Lebensweg oder das eigene Schicksal aufgewachsen. Mein Selbstvertrauen war jedoch nicht so ausgeprägt. Angst hab ich erlebt, wenn ich eine Aufgabe bekommen habe, der ich mich nicht gewachsen fühlte. Ich habe mich dann immer durchgebissen, aber das ist Kopfarbeit. Meist fehlt in solchen Situationen die Körperarbeit, oder ich spreche hier sogar lieber von „Leibarbeit“. Man muss sich eine Aufgabe oder Rolle „einverleiben“, dann entsteht Vertrauen in die Aufgabe. Wenn nur das Kopfwissen aktiviert ist, und alles ab dem Hals abwärts nicht mitmacht, dann wird die Arbeit nur halb so gut. Wenn es aber „einverleibt“ ist, dann stehe ich in der Rolle souverän drin.

wortstark: Das erinnert mich an die Redewendung „Jemand tut etwas mit Leib und Seele“… Wie ist der Zusammenhang von Angst und Atmung: Was passiert da genau?

Magdalena Unger: Der Atem ist wie ein Seismograph, ein ganz feines Instrument. Er reagiert auf alles, was uns beschäftigt, auf alles, was wir denken, tun, fühlen. Natürlich reagiert er auch auf Angst. Zum Beispiel bei plötzlicher Angst, also einem Schreck, atmen wir tief und kurz reflektorisch ein. „Ho!?“ Der Atem bleibt stecken. Dabei entsteht eine Anspannung. Die sollten wir wieder loswerden. In der Tierwelt ist das ganz einfach: Wenn sich Enten erschrecken und aufeinander recht schimpfen, dann schütteln sie sich anschließend und dann ist wieder alles gut. Beim Menschen wäre es genauso, aber wir werden unsere Anspannung eben nicht so leicht los. Wir könnten nach Stresssituationen eigentlich ebenfalls Gegenbewegungen machen –

wortstark: Also sich schütteln?

Magdalena Unger: Ja entweder sich schütteln, oder Laufen oder andere körperliche Aktivität, oder Singen, oder sich die Sache von der Seele reden. Aber oft haben wir nicht die Gelegenheit, das zu tun. Und dann sammeln wir die Anspannung an und bleiben dadurch in einer Hab-Acht-Stellung, die sich im Lauf der Zeit im Körper als Verspannung manifestiert . Da wird dann zum Beispiel zu viel eingeatmet, der Brustkorb bläht sich auf und kann beim Ausatmen nicht mehr zurückschwingen in die Atemruhe. Das führt zu einem häufigen Luft anhalten, bewusst und unbewusst.

wortstark: Wie lange kann man so was ansammeln? Über Jahre?

Magdalena Unger: Schlimmstenfalls ein ganzes Leben lang! Wenn man nichts unternimmt.

wortstark: Und wie helfen Sie den Leuten dann? Oder wie können die sich selbst helfen?

Magdalena Unger: Es gibt viele Wege. Einer davon ist, die Kraft des eigenen Atems kennenzulernen. Diese ist sehr subtil, das ist keine Hau-Drauf-Kraft sondern sie ist sanft lösend oder vitalisierend. Stress- und Druck-KlientInnen reagieren häufig durch zu viel Einatmen, wie oben schon gesagt. Sie bekommen Atemnot und sind wie aufgeblasen. Sie tun zu viel, verlangen sich zu viel Leistung ab. Und dann gibt es auch die anderen, die gehen bei zu viel äusserem Druck in den Rückzug, werden dann auch als Person immer kleiner, trauen sich immer weniger zu…

wortstark: Was heißt das nun konkret, mit dem Kennenlernen der eigenen Atmung. Nehmen wir doch mal den Aufgeblähten… wie kommt er aus seiner Situation wieder raus?

Magdalena Unger: Dieses „zu viel“ bildet sich ab in der Atemweise. Je nach Persönlichkeit hat so jemand einen großen, langen, gewollten Atem. Oder einen der schwach ist, kaum spürbar. Oder es ist ein Atem, der sich verzettelt, der wenig substanzielle Kraft in sich hat, obwohl es ein großer Atem sein kann. Als Atempädagogin hab ich gelernt, die unterschiedliche Atemqualität wahrzunehmen. Und dann kommt es darauf an, auf den Einzelnen einzugehen, ihm zu zeigen den Atem so anzunehmen, wie er ist ohne ihn zu manipulieren. Bei der Behandlung gebe ich dem Atem Impulse im Sinne von „schau mal, so kann es auch gehen“. Aber dabei bin ich sehr achtsam, denn ich darf dabei nicht zu sehr eingreifen. Man muss dem Atem seine eigene Qualität lassen. Aber ich kann ihm Impulse geben, sich zu entwickeln, zu einem starken, kraftvollen, substanziellen Atem, der nicht zu viel macht aber auch nicht zu wenig.

wortstark: Und das zu wenige Atmen… die bekommen dann Atemnot, oder?

Magdalena Unger: Beide bekommen Atemnot, die einen atmen zu viel ein und zu wenig aus, und die anderen trauen sich kaum, richtig einzuatmen. Aber eher bekommt der Atemnot, der zu viel einatmet.

wortstark: Aber wie funktioniert das bei denen, die hätten doch eigentlich genug Luft?

Magdalena Unger: Sie behalten zu viel eingeatmete Luft in sich und können nicht genug abatmen. Bei jedem Asthmatiker ist das so. Ich vergleiche das immer mit einem vollen Glas Wasser, in das jemand immer weiter etwas reingießt. Es ist kein Puffer mehr da und es läuft sofort über. Das Entscheidende ist eben, das Gefäß muss sich auch immer wieder leeren, durchs Ausatmen.

wortstark: Das Bild mit dem vollen Wasserglas finde ich hilfreich… Und der Schüchterne lernt, richtig Atem zu holen?

Magdalena Unger: Die Wendung vom Atem „holen“ oder Atem „schöpfen“ finde ich nicht ganz passend. Der Atem ist ein Geschenk, das kann man nur annehmen. Dazu braucht es kein aktives Tun. Wenn wir aktiv Atem holen, nehmen wir meistens mehr, als wir eigentlich brauchen. Und wer sich zu klein macht, traut sich zu wenig, das Geschenk des Atems anzunehmen. Der denkt oft, „das bin ich gar nicht wert“. Wer sich immer klein macht, der atmet dann auch zu klein.

wortstark: Wie sagen Sie das den Leuten, also auch dem „Kleinen“ oder dem Super-Luftholer, dem Aufgeblähten. So was ist ja wenig schmeichelhaft?

Magdalena Unger: Klienten, die zuviel einatmen, empfinden es meistens als sehr angenehm, wenn sie bei einer Atembehandlung merken, wie viel sie eigentlich ausatmen können. Ich sage es also nicht verbal, sondern ich unterstütze sie, eine positive Erfahrung zu machen.

wortstark: Was sind das für Übungen? Was soll jemand machen, damit er besser ausatmen kann?

Magdalena Unger: So allgemein lässt sich das nicht sagen, das hängt davon ab, an welchem Punkt der Einzelne zu mir kommt. Es kann hilfreich sein, sich ans offene Fenster zu stellen, beide Hände dort hin zu legen, wo er oder sie den meisten Druck spürt und dann den Atem durch den offenen Mund ausströmen lassen, solange es gut tut. Dadurch wird sich der Ausatem verlängern. Ein Ton hilft zusätzlich dabei, „hu“ oder „fu“. Auch Stöhnen, Seufzen und Gähnen sind ganz urtümliche Hilfsmittel, den Atem wieder auszugleichen. Und Singen natürlich. Das sind Dinge, die wir gesellschaftlich abwerten, jedenfalls im Büro. Die sind aber ganz wichtig für Leute, die unter Druck stehen. Wer im Büro nicht ungestört ist, kann ja auch in der Mittagspause mal rausgehen in den Park und wirklich Luft ablassen.

wortstark: Aha. Und dann geht´s plötzlich? Was sind denn die typischen Schwierigkeiten, die den KlientInnen begegnen, wenn sie vorher noch nie Atemübungen gemacht haben?

Magdalena Unger: Die typischen Schwierigkeiten sind erstmal, dass viele Menschen zu wenig bis gar kein Atem- oder Körperbewusstsein haben. Wir atmen zwar 20.000 Mal am Tag, aber nehmen es gar nicht wahr. Das nächste ist, dass die Bauchatmung immer von allen Seiten so präferiert wird. Aber die meisten Leute verbinden mit der Bauchatmung die falschen Vorstellungen. Und drittens das Thema Atem holen, obwohl wir doch den Atem geschenkt kriegen. Das ist auch wirklich eine schwierige Übung, den Atem dann nicht zu manipulieren.

wortstark: Aber das ist doch jetzt ein Widerspruch: Erst sollen wir ein Bewusstsein für den Atem bekommen und gleichzeitig sollen wir uns die Sache doch besser gar nicht bewusst machen, denn wenn man´s erst weiß, dann ist doch klar, dass man daran herumbasteln und mit den Erkenntnissen etwas machen will?

Magdalena Unger: Sobald wir anfangen, uns etwas Unbewusstes bewusst zu machen, übertreiben wir erstmal. Das ist eine ganz normale Reaktion. Deswegen kommt dann auch das Atem holen. Wir wollen es richtig und gut machen, weil wir ja auch vom Leistungsgedanken so stark geprägt sind in unserer Gesellschaft. Bei der Atmung ist es ein ganz anderer Weg: Es gehört ein hohes Bewusstsein dazu, den Atem zu beobachten und zu „lassen“ statt zu „machen“.

wortstark: … Was für ein schöner Satz… ja, wirklich! (lacht)

Magdalena Unger: (lacht) Ja… Und in unserer Gesellschaft gibt es halt sehr viele Macher, gerade auch in Führungspositionen. Es geht jetzt auch gar nicht darum, das Machen abzuwerten oder es sein zu lassen, sondern einfach mit Gelassenheit die Dinge zu tun, die zu tun sind. Meistens wird im Leben das, was bewusst gemacht werden muss, übertrieben. Wenn wir ein Atembewusstsein entwickelt haben, merken wir das dann sehr schnell. Da zeigt der feine Seismograph an: „Das ist zu viel“. Meine Arbeit hat mit Krankheit nichts zu tun, wie das manche denken, sondern mit Persönlichkeitsentwicklung. Durch die Veränderung der Atemweise verändert sich auch der Mensch. Wie innen, so außen. Der äußere Druck verändert mein Inneres. Aber wenn ich von innen damit umgehen lerne, und spüre „Was tut mir eigentlich gut?“, dann kann ich einem unangemessenen Druck viel früher auf angemessene Art begegnen, weil eine innere Kraft aufgebaut wird.

wortstark: Hm. Ich glaube, ich verstehe, was Sie meinen.

Magdalena Unger: Ilse Middendorf, von der ich diese Arbeit gelernt habe, spricht hier von Hingabe. Sie sagt, Hingabe ist „Bewusstsein, das nicht befiehlt“. Und wenn ich eine Arbeit mit Hingabe mache, ist das ganz etwas anderes, als wenn ich die gleiche Arbeit aus Karrierestreben mache. Das verändert natürlich auch den Menschen an sich, wenn er lernt, mit Hingabe dem Atemgeschehen zuzuschauen, ohne einzugreifen. Und die Hingabe, die er im Umgang mit dem eigenen Atem lernt, wirkt sich früher oder später auch auf sein äußeres Tun aus. Damit kommt mehr Begeisterung in die Arbeit. Begeisterung kommt ja von Geist. Und Einatmen heißt auf Lateinisch „inspiratio“. Da kommt Geist in mich hinein. Aber er kann mich nur erfüllen, wenn ich vorher leer bin, bereit. Deshalb ist es so wichtig auszuatmen, sonst passt ja nichts mehr rein.

wortstark: Okay, aber eben nicht 20.000 Mal bewusst…

Magdalena Unger: Genau, natürlich nicht jedes Mal bewusst. Aber wenigstens ein paar Mal am Tag mit Hingabe und Achtsamkeit dem eigenen Atmen begegnen. Das verändert das eigene Bewusstsein, es führt zu mehr Selbstsicherheit, und es verändert auch die Beziehungen zu anderen Menschen. Wer mehr bei sich bleibt, kann sich nicht so leicht verlieren. Da entwickelt sich eine ganz andere Ausstrahlung und Überzeugungskraft…

wortstark: Ja, danke. Der wortstark-Newsletter Ausgabe 27 vom April dieses Jahres beschäftigte sich ja mit dem Thema Stimme. Dabei lag der Schwerpunkt auf der Wirkung von Stimme und Stimmtrainings bei Führungskräften. Welche Rolle spielt die Stimme denn darüber hinaus, aber ebenfalls im Kontext der Unternehmenskommunikation?

Magdalena Unger: Stimme ist hörbarer Ausatem. Stimme macht Persönlichkeit hörbar. Wir Menschen reagieren subtil auf Stimmen, das ist im Kontakt von MitarbeiterInnen und KundInnen ein wichtiger Faktor. Da wird viel Information nicht nur über den Kopf sondern auch über den Bauch aufgenommen. Deshalb lohnt es sich, mit seiner Stimme zu arbeiten, sie zu pflegen, mit der eigenen Stimme und sich selbst in Einklang zu kommen.

wortstark: Ist damit im Geschäftsumfeld nicht der Manipulation der Stimme Tür und Tor geöffnet?

Magdalena Unger: Manipulation passiert weniger, wenn wir mit Hingabe an die Stimmschulung gehen. Atemarbeit ist allerdings die Basis für Stimmarbeit. Das habe ich auch in meiner Gesangsausbildung zunächst zu wenig gelernt. Ich habe dabei Techniken gelernt, die Stimme einzusetzen, aber das ist nur sinnvoll, wenn die Basis, ein Atem- und Körperbewusstsein, vorhanden ist. Wenn da nur Technik ist, macht es einen eng. Wenn der Mensch sich unter Druck setzt, wird er eng. Das Wort „Angst“ leitet sich ja auch von „angust“ ab, von „Enge“. Eine solche eingeengte Stimme klingt blechern, zu hoch, hart, schrill…. Wenn der Mensch aber in seiner Mitte ist, kann er mehr und besser bewältigen, und dann tönt er oder sie auch anders. Denken Sie an „per-sonare“, das kommt ja von „durch-tönen“….

wortstark: Ja, ich weiß. Ich mag diese Begriffserklärungen sehr, ich arbeite selbst immer mehr damit. Doch nochmal zu Ihnen: Sie nennen Ihr Angebot „körperorientiertes Persönlichkeitscoaching“. Wie findet dieses körperorientierte Coaching statt, in welchem organisatorischen Rahmen?

Magdalena Unger: In der Regel kommen die Leute zu mir in die Praxis in der Münchner Innenstadt. Nachdem es eine prozessorientierte Arbeit ist, empfehle ich mehrere Sitzungen, mindestens zehn Stunden. Wenn Leute von weit her kommen, sind auch bis zu drei Stunden am Stück möglich oder wir bearbeiten ein konkretes Thema einen ganzen Tag lang.

wortstark: Was kostet das und wer bezahlt so eine Behandlung? Gibt´s das auf Rezept – immerhin sprechen Sie ja von Praxis?

Magdalena Unger: Ja, aber trotzdem geht es hier nicht darum, eine Krankheit zu heilen sondern es geht um Persönlichkeitsentwicklung, deshalb zahlt die Krankenkasse nicht. Bei der Hälfte meiner KlientInnen investieren die Firmen in ihre Führungskräfte und übernehmen die Kosten. Die andere Hälfte bezahlt es selbst. Mein Stundensatz für Firmenkunden liegt bei EUR 85,- plus Mehrwertsteuer, bei PrivatkundInnen verlange ich EUR 75,- brutto. Körperorientiertes Persönlichkeitscoaching kann aber steuerlich abgesetzt werden.

wortstark: Okay. Wenn Ihnen noch etwas einfällt, was Ihnen sonst noch zu Ihrem Thema wichtig ist und worüber wir bisher nicht gesprochen haben, dann ist hier Raum dafür…

Magdalena Unger: Den Atem können Sie sich als Flusslauf vorstellen. Wenn Sie auf dem Fluss paddeln, merken Sie: Wo das Flussbett weit ist, fließt das Wasser langsam. Wo es eng ist, schießt es ganz schnell voran. Mit dem Atemstrom ist es so ähnlich. Wenn der Körper unter Druck ist, wird das Flussbett enger. Bei Gelassenheit wird es weiter. Es ist gut, wenn es zwischendrin mal enger wird, das gibt ja auch Kraft, soll aber dann auch wieder weiter werden. Die Abwechslung ist gesund. Wenn das Flussbett dauerhaft eng bleibt, wird das Leben statisch, dann ist keine Entwicklung möglich. Der Atem wie auch die Persönlichkeit brauchen eine gewisse Flexibilität. Dazu gehört das „pushen“, aber auch das Loslassen und die Ruhe.

wortstark: Frau Unger, ein schönes Bild mit dem Fluss, ich bin nahezu sprachlos… Und ich danke Ihnen ganz herzlich für dieses äußerst bewegende und tiefgehende Gespräch.

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