„Unternehmenskommunikation ohne Vorzimmer? Sekretärin einst und jetzt“
Liebe Leserinnen und Leser,
die großen technischen Neuerungen wurden und werden in der Unternehmenskommunikation schon immer reichlich dokumentiert und diskutiert. Auch methodisch ist von Zeit zu Zeit Neues angesagt. Was allerdings der Wandel der Medien und Methoden langfristig für das personelle Gewebe und den kommunikativen Alltag in unseren Firmen bedeutet, bleibt in mancher Hinsicht unbemerkt. Heimlich still und leise sind die Vorzimmer immer weniger geworden, und mit ihnen die „Vorzimmerdame“, die klassische Sekretärin. Ist Ihnen das schon mal richtig bewusst geworden? Und was heißt das für die Unternehmenskommunikation, speziell für die interne? Ist die Berufsbezeichnung „Sekretärin“ überhaupt noch aktuell? Im Internet finden sich immerhin noch URLs mit Seiten zu diesem Begriff. Doch was geht mit den Vorzimmern, was geht mit den klassischen Sekretärinnen – und was kommt nach?
Diese und andere Fragen stellte ich einer Frau, die sich auskennt: Die Expertin des Monats war fast 30 Jahre Sekretärin bei Siemens und hat den großen Wandel ihres Berufsstandes selbst erfahren.
Steigen Sie ein und machen Sie eine Zeitreise mit, von der papierenen „Vor-PC-Zeit“ bis heute. Lesen Sie von der Macht des „Vorzimmerdrachens“ genauso wie von der Macht der „guten Seele“, die eine Abteilung zur Gemeinschaft verbindet – was ich selbst im vorliegenden Fall erleben durfte. 12 Jahre später sind der Zeitpunkt und der Rahmen da, sich in Form dieses Interviews daran zu erinnern und dies explizit zu würdigen. Erleben Sie, wie eine Sekretärin in der Rolle eines Personalvorstandes eine Firma gestalten würde und lernen Sie von einer Erfahrungsträgerin, bevor sie still und leise die Türe hinter sich schließt.
Viel Spaß beim Lauschen, Lesen und Lernen,
Ihre Dr. Annette Hartmann
„Selten geworden: Sekretärin als gute Seele der Abteilung“
wortstark: Frau Zeller, ich habe Sie vor 12 Jahren als Sekretärin bei Siemens kennen gelernt. Wie kam es einst zu Ihrer Berufswahl und wie lange sind Sie jetzt bei Siemens?
Edith Zeller: Ausschlaggebend war damals eine Freundin, die selber schon viele Jahre als Sekretärin bei Siemens arbeitete. Sie war dort sehr zufrieden und hat mich angesprochen, ob ich nicht mal zu einem Kollegentreffen mitkommen wollte ins Hotel Bachmeier am Tegernsee. Dort habe ich meinen zukünftigen Chef kennen gelernt, der kurze Zeit nach dem Treffen eine neue Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit aufbauen sollte. Ich war zu der Zeit 33 Jahre alt und hatte als Rechtsanwaltsgehilfin mit Sekretärinnen-Diplom der Sabel-Schule München in der Kanzlei immer unter großem Termindruck zu arbeiten: Wir hatten dort zum Beispiel nie Zeit und Gelegenheit zum Mittagessen und mussten abends nach der Arbeit immer noch zum Nachtbriefkasten des Justizpalastes, damit die Fristen eingehalten werden konnten. Das gefiel mir auf die Dauer nicht mehr, während mich bei Siemens das Neue reizte, die Öffentlichkeitsarbeit machte mich neugierig. So entschloss ich mich zu wechseln. Ich habe dann zum 1. Juli 1979 bei Siemens am Wittelsbacher Platz angefangen und bin also jetzt 26 Jahre dabei. Im Mai dieses Jahres gehe ich in die so genannte passive Altersteilzeit und Ende November 2008 werde ich dann Siemens verlassen.
wortstark: Dann haben Sie fast 30 Jahre dort gearbeitet – faszinierend! Ich freue mich sehr, dass Sie mir mit Ihrem großen Erfahrungshintergrund das Interview geben. Als ich Sie darum gebeten habe, wusste ich allerdings nicht genau, wie ich Sie passend ansprechen sollte, ich meine die Berufsbezeichnung: Heutzutage sagt ja kaum mehr jemand „Sekretärin“. Stattdessen heißt es „Office-ManagerInnen“, „Team-, Büro- oder Projektassistentin“. Wie sehen Sie diesen Wandel? War es nur ein begrifflicher Wandel oder inwieweit haben sich auch die Tätigkeiten dahinter geändert?
Edith Zeller: Ich war über zwei Jahrzehnte „Abteilungssekretärin“ und seit drei Jahren werde ich als „Teamassistentin“ geführt. Vom Prinzip her blieben die Arbeiten die gleichen, aber im Alltag hat sich doch sehr viel geändert: Der Hauptunterschied kam durch die PCs. Heute ist die Papierpost auf ein Minimum zusammengeschrumpft, es fällt ja fast die komplette Geschäftskorrespondenz weg, weil die Mitarbeiter ihre E-Mails selber schreiben. Zum Briefeschreiben braucht heute niemand mehr eine Sekretärin. Und dazu kam der Trend, dass die Unternehmen immer mehr Aufgaben von den Sekretariaten wegverlagert haben auf die Mitarbeiter selbst, zum Beispiel Terminvereinbarungen, sich um Besprechungsräume kümmern, Reisen selbst abzurechnen und auch die Urlaubs- und Krankmeldungen selbst an die Personalabteilungen zu geben. Deshalb gibt es richtige Sekretärinnen bei Siemens heute nur noch in den obersten Etagen. Dort sind es dann oft sogar zwei oder drei.
wortstark: Was heißt für Sie „richtige Sekretärin“?
Edith Zeller: Eine Gelenkstelle zwischen Chef und MitarbeiterInnen. Ausgeglichen, patent, kompetent im Umgang. höflich, aber bestimmt.
wortstark: Danke, das war in wenigen Worten eine schöne klare Beschreibung. Bleiben wir doch noch einbißchen bei dem Thema Qualifikation: Welche Fähigkeiten, die Sie in Ihrer Ausbildung mitbekamen, haben sich für Sie bis heute zu lernen gelohnt und welche haben Ihnen wenig gebracht? Stellen Sie sich vor, Sie dürften den Lehrplan heutiger BüroassistentInnen gestalten.
Edith Zeller: Erstens: Freundlichkeit zahlt sich immer aus. Zweitens Ausdauer, dranbleiben, nicht gleich aufgeben. Wenn´s rechts nicht geht und links nicht geht, dann versucht man es eben durch die Mitte. Das würde ich auch jedem jungen Menschen mitgeben. Drittens immer bereit sein, dazu zu lernen. Und dabei nach dem Bauchgefühl gehen, mit Spaß Neues anfangen, mit Spaß arbeiten.
wortstark: Hm. Das klingt jetzt aber weniger nach Lehrplänen, das klingt mehr nach Originalton Frau Zeller?! (lacht) Oder haben Sie das in Ihrer Ausbildung gelernt?
Edith Zeller: (lacht) Nein, aber danach, in der Arbeit. Solche Eigenschaften oder Einstellungen sind sehr wichtig. Wenn ich an meine Ausbildung denke, dann braucht heute natürlich niemand mehr Steno und Diktaphon. Was wir an der Sabel-Schule allerdings noch gelernt haben, ist eine gute deutsche Sprache und Rechtschreibung. Heute kommt ja kaum mehr ein gescheiter Geschäftsbrief zustande. Bei den E-Mails schreiben die Leute einfach drauflos und darunter leidet die Sprache schon sehr, finde ich. Dazu kommt noch die Verwirrung durch alte und neue Rechtschreibung. Wenn ich dann solche Texte lese, dann denke ich manchmal „Mein Gott, und so ein Kauderwelsch kommt aus einer Pressestelle!?“ Aber wenn´s drauf ankommt und es wirklich eine Aussendung wird, geht das ja nochmal in eine Agentur oder in ein Übersetzungsbüro und die biegen es dann hin. Außerdem muss ich sagen: Wir stehen heute alle unter einem anderen Zeitdruck als früher.
wortstark: Diese vorhin schon von Ihnen angesprochenen Themen Höflichkeit und Umgang, haben Sie das damals eigentlich auch an der Sabel-Schule gelernt?
Edith Zeller: Ganz genau. Es gab einen Gastgeberkurs, wo wir lernten, wer zuerst begrüßt wird, welches Glas beim Essen für welches Getränk da ist, sogar wie man Schnecken oder Hummer isst, haben wir gelernt. Ich denke aber, das Wesentliche bei Knigge ist Takt und Rücksichtnahme, Aufmerksamkeit. Und das gilt bis heute. Wenn fremde Leute zu uns ins Haus kommen, und sich verirren, dann sollten sie angesprochen werden: „Wen suchen Sie denn, kann ich Ihnen helfen?“ Und wenn es sich gerade einrichten lässt, bringe ich sie auch schnell hin.
wortstark: Ja, so habe ich Sie damals und jetzt auch immer erlebt: Sehr hilfreich und unterstützend. Es wäre allerdings fatal für uns alle gewesen, wenn Sie Ihre Unterstützung verweigert oder nur einigen Auserwählten gegeben hätten. Sprechen wir mal über die Macht einer Sekretärin oder Büroassistenz: Da gibt es ja das Bild vom „Vorzimmerdrachen“, andererseits vom „guten Geist“ oder sogar „Engel“ des Büros. Die eine Kollegin wird hinter vorgehaltener Hand als „Tippse“ herabgesetzt, die andere als das „Superhirn im Hintergrund“ bewundert, das alle Fäden in der Hand hält. Wie groß ist Ihrer Meinung nach die Macht der Assistenzberufe heute?
Edith Zeller: Es kommt sehr auf das Umfeld der KollegInnen an, ob man zwischen lauter EinzelkämpferInnen ist und ganz klar jeder seine Stellung hat, so nach dem Motto: Ich bin ein festes Glied in der Kette. So war es für mich früher. Da hat sich keiner in die Sachen des anderen eingemischt. Heute soll eine Sekretärin zwar immer noch ein Bindeglied sein und versuchen, dass die Chemie zwischen den KollegInnen stimmt. Aber es gibt eine große allgemeine Unsicherheit und Desorientierung, letztlich auch Angst um den Arbeitsplatz. Dadurch ist gar nichts mehr klar und alles muss ständig im Team ausdiskutiert werden.
wortstark: Beispiel bitte?
Edith Zeller: Da wird zwischen fünf Leuten abgestimmt, wo der Drucker stehen soll, wo das zugehörige Papier liegt und wo der Schlüssel deponiert wird. Es wäre doch so einfach, dass einer das regelt und dann auch dafür geradesteht, anstatt dass alle alles regeln. Bei so was geht mir manchmal der Hut hoch!
wortstark: Naja. Allerdings hätte ich jetzt eher erwartet, dass alle versuchen, lästige Kleinigkeiten grundsätzlich auf die einzige Teamassistentin abzudrücken –
Edith Zeller: – Doch, das gab´s trotzdem. Ich habe ein paar Mal darauf aufmerksam machen müssen, dass nach einer Besprechung bitte jeder selber seinen Stuhl ordentlich hinstellen kann, dass jeder selbst dafür verantwortlich ist, die Küche sauber zu hinterlassen und dass es nicht meine Aufgabe ist, den Wasserkocher sauberzumachen.
wortstark: Hm. Also doch.
Edith Zeller: Ja. Aber das Positive daran war: Dadurch habe ich gelernt, mich zu wehren. Vorher habe ich mich all die Jahre nie wehren müssen. Das war immer ein sehr angenehmes Arbeiten gewesen.
wortstark: Bleiben wir gleich mal bei der konstruktiven Variante: Mal angenommen, Sie wären Personalvorstand bei irgendeiner Firma und könnten ganz frei entscheiden: Wie sähe Ihre Personalpolitik aus? Was würden Sie für Richtlinien herausgeben, um das Arbeiten in dieser Firma angenehm und erfolgreich zu machen?
Edith Zeller: Ich würde erstmal dafür sorgen, dass in allen Teams immer Frauen und Männer vorkommen, weil dann die Stimmung am besten ist. Sobald Männer dabei sind, wird es spielerischer, lockerer. Zweitens würde ich dafür sorgen, dass auch alle Altersklassen dabei sind, weil jeder auf seine Art einiges reinbringt. Die Älteren bringen die Erfahrung, die Jüngeren bringen die Visionen und die Kreativität. Ich würde auch die Zeit verlängern und flexibler gestalten, wann die Älteren von Bord gehen: Vielleicht zwei drei Jahre länger dabeilassen, aber dafür am Schluss mit 3-Tage-Woche. Wer noch aktiv und motiviert ist, soll noch weitermachen, davon profitieren doch alle. Und dann würde ich grundsätzlich Leute aus verschiedenen fachlichen Sparten in ein Team stecken. Es ist immer wieder hochinteressant, was dadurch an wertvollen Impulsen zusammenkommt.
wortstark: Da fiel Ihnen aber auf Anhieb eine ganze Menge ein. vielleicht wird ja irgendwo ein praxiserprobter Personalvorstand gesucht, wenn Sie in zwei Jahren bei Siemens aufhören. Was ist eigentlich mit Ihrer Abteilung, wenn Sie nicht mehr da sind?
Edith Zeller: Dann machen andere weiter. Und das gilt auch für mich selbst: Es geht immer irgendwie weiter. Wichtig ist für mich, neugierig zu bleiben, wieder Neues entdecken, sich wieder neu einbringen. Möglichkeiten hierfür gibt es genug.
wortstark: Ein schöner Schlusssatz, Frau Zeller. Vielen Dank für dieses gute Gespräch!
Sie erreichen Edith Zeller unter E-Mail edith.zeller@siemens.com.
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