Klingt gut: Stimmtrainings verbessern Unternehmenskommunikation
Liebe Leserinnen und Leser,
vor einem Jahr erreichte mich die Anfrage eines Studenten der Kommunikationswissenschaften: „Meinen Sie, dass meine Magisterarbeit >Interne Unternehmenskommunikation – was leistet die Phonetik?< interessant ist für den Markt? Sind in meinem Modellentwurf vielleicht noch irgendwo Lücken?"
Ich antwortete sinngemäß „Die ganze Branche hat hier eine Riesen-Lücke! Ihre Arbeit ist auf jeden Fall interessant für den Markt.“ Und bot dem findigen Phonetik-Forscher sofort einen Interviewplatz an für die Zeit, wenn seine Studie fertig ist. Diese Zeit ist jetzt da.
Es ist ein Unding, dass die akademische wie auch die praxisbezogene Lehre zur Unternehmenskommunikation den absonderlichsten Medien und Methoden Aufmerksamkeit schenkt, aber sich zur Basis jeglicher Verbalkommunikation – eben der Stimme – so dermaßen offensichtlich ausschweigt.
Vielleicht war das im Nachhinein betrachtet sogar einer der Gründe, die mich vor etwa vier Jahren zunehmend in Richtung Persönlichkeitsentwicklung brachten, denn hier, im Coaching und in der Rhetorik, wird der kommunizierende Mensch ganzheitlicher wahrgenommen. Hier darf er oder sie nicht nur ein Handy in der Tasche haben oder die Intranet-Verkündungen lesen, sondern sogar selbst mit eigener echter menschlicher Stimme reden . Wie zentral im Menschen die Stimme ist, wurde mir durch Ingrid Ammon deutlich, die das Wort „Persönlichkeit“ von dem lateinischen „per- sonare“ ableitet, das heißt übersetzt „durchtönen“. Wenn Sie diesen Gedanken mal hochprojizieren auf das Unternehmen insgesamt, dann wird klar, dass die Stimmen vor allem derer, die „viel zu sagen haben „, also der Führungskräfte, entscheidende Bedeutung haben. (Gilt aber auch für alle mit KundInnenkontakt. Oder mit KollegInnen. Für wen gilt´s nicht?) Aber bleiben wir mal bei der Chefetage: Ihre Stimme prägt die Stimmung . Es zählt oft gar nicht so sehr, was gesagt wird, sondern wie . Der Ton macht die Musik . Stimmt doch, oder? Klingelt ´s jetzt bei allen, die sich ständig um mehr Motivation und Überzeugungskraft bemühen?
Genug der Vorrede: Fangen Sie noch heute an, Ihre Wissenslücken zum Thema Stimme zu schließen. Und keine Angst vor den Budgetverhandlungen – der Erfolg von Stimmtrainings ist von nun an beweisbar, mit Zahlen und Fakten hinterlegt. Lesen Sie hier, was der Experte zum Thema Stimme spricht: Stefan Kirchner.
Viel Spaß beim Lesen und Lauschen,
Ihre Dr. Annette Hartmann
Phonetik beweist Nutzen von Stimmtrainings bei Führungskräften
wortstark: Herr Kirchner, Sie haben an der Universität Bonn eine Magisterarbeit geschrieben über die Phonetik und ihre Bedeutung für die Unternehmenskommunikation. Wie kamen Sie auf dieses Thema: Gab es hierfür ein „Schlüsselerlebnis“? Oder wann und wie ergab sich das bei Ihnen?
Kirchner: Da führten verschiedene Wege hin. Einerseits die Seminare an der Universität Bonn im Bereich Stimmqualität. Und zweitens bin ich ja schon während meines Studiums in der Unternehmenskommunikation tätig gewesen und dachte mir: Wie kann ich das in meiner Abschlussarbeit miteinander verquicken und auch für Praktiker interessant machen? Seminare im Bereich Stimme brachten mich dann dazu, einfach zu schauen: Was kann man in Unternehmen verbessern mit der Stimme, und was wird bereits gemacht?
wortstark: Hm. Mir fehlt noch einbisschen der Kern des Ganzen. Haben Sie mal eine Gesangsausbildung gemacht? Oder was interessiert Sie denn an dem Thema Stimme? Andere Leute interessiert´s nicht!
Kirchner: (lacht) Okay, es war dieser Kontrast zwischen den praktischen Erfahrungen in der internen Unternehmenskommunikation und den Seminaren. In der Praxis wird mit so vielen Instrumenten gearbeitet, von Intranet über die Mitarbeiterzeitung, aber die Stimme wird als Instrument eigentlich nicht gesehen. Andererseits wurde mir in den Seminaren deutlich, was Stimme eigentlich ausrichten kann und was in der Stimme steckt. Das war mir vorher auch nicht bewusst. Und dann dachte ich mir, wie kann ich denn die Phonetik dafür einsetzen, um Erfolge messbar zu machen?
wortstark: Ja, danke, jetzt wird´s für mich runder, verständlicher.- Ich sehe es auch so, dass in der Unternehmenskommunikation das Thema „Stimme“ kaum vorkommt. Eine Anwendung fällt mir ein und zwar im übertragenden Kontext der Integration von intern und extern: Alle Medien, alle Zielgruppen sollten „mit einer Stimme sprechen“. Sie aber konzentrierten sich in Ihrer Studie auf den Wert der Stimmen der Führungskräfte für die Unternehmenskommunikation. Wie begründen Sie diesen Wert?
Kirchner: Es geht doch die ganze Zeit darum, dass Führungskräfte ihre MitarbeiterInnen motivieren sollen, überzeugen, ihre Leute mitnehmen. Das wirkt sich dann alles auch extern aus! Das kann ich damit auch beeinflussen, gerade im Dienstleistungsbereich geht das auch bis hin zur Kommunikation gegenüber den KundInnen. Eine gute Stimme kann dabei überall ein zusätzliches Instrument sein. Es ist nicht der allein entscheidende Faktor, aber einer von mehreren.
wortstark: Wie bekannt sind denn Stimm-Trainings heute in den Unternehmen?
Kirchner: Arno Fischbacher hat in Österreich 2004 eine Studie hierzu durchgeführt, unter dem Titel „Wirtschaftsfaktor Stimme“. Darauf beziehe ich mich jetzt. Er befragte 152 Personen, Führungskräfte aus Marketing und Vertrieb, Personalentwicklung, Personaldienstleistung und Trainer. Dabei stellte sich heraus, dass über die Hälfte, nämlich unter den genannten Gruppen zwischen 57% und 52%, kein Stimmtraining kennen.
wortstark: Oh je… Und von denen, die es kannten, was hat Fischbacher die weiter gefragt?
Kirchner: Die wurden gefragt, ob sie hineininvestieren würden. Das wurde unterteilt, ob sie für sich selbst oder für ihr Personal so etwas machen würden. Dabei zeigten sich die PersonalentwicklerInnen sowohl für sich selbst als auch für ihre Leute am investitionsfreudigsten mit je 64% Bereitschaft. Befragte aus Personaldienstleistung und Training würden für sich selbst nur zu etwa 44 % in Stimmtrainings investieren, dafür aber zu 56 % bei ihren Teams. Und die Marketingleute würden zu 44% bei sich und zu 48 % bei ihren Teams hineininvestieren, also insgesamt am wenigsten.
wortstark: Und was hält all die Leute dann in der Realität vom Investieren ab?
Kirchner: Stimmtrainings werden meist noch belächelt. Was bislang fehlt, ist ein Nachweis des Nutzens.
wortstark: Aber da tun Sie ja jetzt etwas dafür: Beschreiben Sie bitte den empirischen Teil Ihrer eigenen Arbeit: Wie sind Sie an „passende Stimmen“ herangekommen, wie haben Sie sie untersucht und was haben Sie herausgefunden?
Kirchner: Hier bekam ich Unterstützung von dem Stimmtrainer Werner Gorzalka, der mir das nötige Audiomaterial zur Verfügung gestellt hat. Herr Gorzalka hat seine Teilnehmer immer am Anfang interviewt, warum sie das Seminar machen und so weiter. Und dann wurden am Ende des Seminares wieder dieselben Stimmen aufgenommen, das war dann das Vergleichsmaterial.
wortstark: Und wie lang ging das Seminar?
Kirchner: Zuerst war der Gedanke, den Unterschied zwischen Kurzzeitseminaren zu untersuchen, also ein bis drei Tage und den Seminaren von einem halben Jahr, wo die Leute jede Woche zum Stimmtraining kommen. Aber das kann ich schon vorwegnehmen: Es gab keinen Unterschied in der Wirkung zwischen Langzeit- und Kurzzeitseminaren.
wortstark: Oh! Dann kann man ja besser gleich nur das Kurze nehmen…?
Kirchner: Na, die beiden Erhebungen sind ja nur Momentaufnahmen und was offen bleibt, ist das Maß des Transfers in den Alltag. Das können Sie sich vorstellen wie beim Muskeltraining im Fitnessbereich: Nur was langsam aufgebaut wird, wird auch behalten. Die nächste Frage wäre auch der Langzeiteffekt, also was passiert nach einem halben Jahr oder nach einem ganzen Jahr – wieder in beiden Fällen? Fallen die wieder auf ihr Ausgangsniveau zurück oder bleiben die besser? Das wissen wir nicht.
wortstark: Also gut, jahrelange Langzeiteffekte kennen wir nicht, aber dann bleiben wir doch bei dem, was Sie gemessen haben.
Kirchner: Genau. Ich habe die Stimmen von zwölf Teilnehmerinnen und Teilnehmern vor und nach dem Stimmtrainings untersucht. Dabei wurden erstens phonetische Kategorien verwendet wie Stimmumfang, Stimmspannung, Grundfrequenz. Die wurden abgegolten mit Daten aus der Emotions- und aus der Genderforschung, die hier weit entwickelt sind –
wortstark: … wie bei einer Kontrollgruppe…?
Kirchner: Ja. Und dann habe ich die Stimmen der zwölf Führungskräfte 30 Leuten vorgespielt, die als Mitarbeiter im Arbeitsleben stehen und nun auf ausführlichen Fragenbögen angekreuzt haben, wie sie die Stimmen empfunden haben.
wortstark: War der Inhalt dessen, was die zwölf Chefs und Chefinnen sprechen, verfremdet oder haben die potenziellen MitarbeiterInnen gehört, was die im Einzelnen sagen?
Kirchner: Die waren verfremdet. Sie sollten sich ja nur auf die Stimmen konzentrieren. Und als theoretische Grundlage habe ich den Settingbegriff von Laver verwendet. Der forscht auf dem Gebiet, wie wirkt sich die Artikulation auf die Stimme aus, also zum Beispiel: Was passiert, wenn ich mit einem enger oder mit einem weiter geöffneten Kiefer spreche? Laver untersucht, wie sich das sogenannte „Anregungssignal“ verhält, das sind die Stimmbänder und wie sich einzelne Artikulatoren – das sind Kiefer, Zunge, Mund – auf unsere Stimme auswirken. Wie verändert sich das Gesprochene und wirkt es auf die HörerInnen?
wortstark: Und was haben Sie nun Ihrerseits herausgefunden?
Kirchner: Zum Beispiel ist der Stimmumfang bei allen weiblichen TeilnehmerInnen durchgehend weiter geworden. Bei den Männern war es wechselhaft. Dafür waren hier aber Extremfälle dabei, wo das Stimmtraining besonders viel bewirkt hat: Da ist zum Beispiel einer von 96 Herz auf 494 Herz Stimmumfang gekommen.
wortstark: Hey! Das Fünffache! Das ist allerdings enorm.
Kirchner: Stellen Sie sich eine Orgel vor, wo jemand vorher nur ein paar wenige Tasten drücken konnte und nun hat sie die ganze Klaviatur zur Verfügung, mehrere Oktaven. Das klingt einfach besser, voluminöser.
wortstark: Ja, ein schönes Bild übrigens. – Sie haben ja auch die durchschnittliche Stimmhöhe gemessen. Im Allgemeinen gelten tiefe Stimmen als ideal im Wirtschaftsleben, weshalb viele Führungskräfte, vor allem Frauen, leider absichtlich versuchen, tiefer zu sprechen und damit ihre Stimme manipulieren, oft mit krankmachenden Folgen für den kompletten Sprechapparat und letztlich auch für die Seele. Wie haben sich die Stimmhöhen Ihrer Trainingsteilnehmer verändert?
Kirchner: Die Stimmen sind bei Frauen und Männern durch das Stimmtraining tendenziell höher geworden. Ja – mit diesem Ergebnis hatte ich auch nicht gerechnet. Und Sie haben Recht, aus der Wirkungsforschung gelten ja tiefere Stimmen als besser. Aber wenn man sich zu weit von einer bestimmten Stimmlage entfernt, wird das auch negativ eingeschätzt, also bei Männern wäre eine zu tiefe Stimme auch negativ. Eine zu hohe genauso.
wortstark: Die haben sich also irgendwie eingependelt auf eine Art gesundes Maß?
Kirchner: Ja genau, eher so herum. Und die Stimmhöhe allein macht es nicht. Für den Hörer zählen auch Faktoren wie Rauheit, Knarren oder Behauchen. Um als männlicher Chef positiv wahrgenommen zu werden, sollte die Stimme zum Beispiel ein gewisses Maß an Knarren aufweisen. Für die Frauen im Management ist das Behauchen vorteilhafter. Aber das wird eigentlich jetzt hier zu komplex für so ein Interview, da spielen so viele Sachen zusammen. In der Phonetik messen wir deshalb vor allem die Grundfrequenz, wie die sich verändert.
wortstark: Okay, interessant, erklären Sie gern weiter… Was tat sich denn bei der Grundfrequenz?
Kirchner: Die Grundfrequenz bei einer untrainierten Stimme verläuft flacher als bei einer trainierten. Dadurch bewerteten die Hörer diese Stimme als melodischer, belebter und voller. Eine durchschnittlich höhere Stimme wird heller, klarer, präsenter wahrgenommen, was ebenfalls durchaus angenehm ist. Und dann geht es auch noch darum, wie kurvig und steil An- und Abstiege verlaufen: Das ist positiv, lebendiger. Dies alles können Sie meiner Grafik entnehmen.
wortstark: Stimmt. Ich sehe den Effekt. Dann haben sich also subjektives Ergebnis, diese Hörerbefragung, und Ihre objektiven Messungen, gegenseitig gestützt?
Kirchner: Ja, zum Glück. Wobei natürlich in der Realität schon die inhaltliche Information, Mimik und Gestik mit hineinspielt, ich habe mich hier nur auf Stimme beschränkt. Aber diese Führungskräfte wurden jedenfalls aufgrund ihrer Stimme nach dem entsprechenden Training als präsenter, voller, deutlicher, melodischer, sicherer, stärker, frischer, klarer empfunden. Alle positiven Zuschreibungen einer Führungskraft wurden verstärkt.
wortstark: Darauf kommt´s ja an! Sehr gut. Ab jetzt müssen sich die Controller und Budgetverantwortlichen warm anziehen, wenn es um Stimmtrainings geht. Ich freue mich immer, wenn sich Nachweise dafür zeigen, dass sich das Investment in „weiche Faktoren“ eben doch lohnt. – Aber um zu Abrundung die LeserInnen fachlich noch ein Stückchen weiter einzuweihen, übersetzen Sie bitte noch zwei Fachbegriffe: Was ist „Jitter“ und „Shimmer“ in der Phonetik? Einfach auf Deutsch übersetzt heißt es ja: „Zittern“ und „Schimmer“…
Kirchner: In der Phonetik sind beides Randfaktoren bei der Stimmbeurteilung. Jitter sind kleine Schwankungen in der Grundfrequenz, die sich in Zacken äußern. Raucher haben zum Beispiel mehr Jitter in der Stimme, die sind rauer. Und Shimmer sind Schwankungen in der Amplitude. Das sind aber wirklich sehr kleine Faktoren, deren Wirkung auch schwer greifbar ist.
wortstark: Gut, dann wollen wir uns also an die geheimnisvollen Randphänomene Jitter und Shimmer erst gar nicht gewöhnen und lieber auf das große Ganze schauen, was Sie oben beschrieben haben. Nächste Frage: Wie geht es jetzt bei Ihnen weiter, wenn Sie Ihre Prüfungen abgeschlossen haben?
Kirchner: Ich möchte im Bereich Unternehmenskommunikation bleiben, und dort am besten im Bereich Entwicklung. Ich bin da sehr flexibel, ob in Deutschland, der Schweiz oder Österreich ist mir gleich. Besonders in der Schweiz wird die Forschung im Bereich Wertemanagement vorangetrieben…
wortstark: Ich finde, das ist ein Trend, der hier in Deutschland auch läuft. In meinem letzten Interview ging es ja zum Beispiel auch sehr um Werteorientierung. Aber jeder hat so seine Ansprechpartner… Wenn Ihnen etwas einfällt, was Ihnen sonst noch zu Ihrem Thema wichtig ist und worüber wir bisher nicht gesprochen haben, dann ist hier Raum dafür.
Kirchner: Ja, vielleicht nochmal der Punkt, dass man die Ergebnisse stark je nach Männern und Frauen trennen muss. Bei den Geschlechtern müssen sich jeweils andere Werte ändern, um positiv wahrgenommen zu werden. Und diese Dinge sollten allen Trainern bekannt sein, die mit Stimmbildung zu tun haben.
wortstark: Aha, sehen Sie, ich gehe hier gleich als leuchtendes Vorbild voran (lacht)…- Herr Kirchner, Sie haben dieses Interview trotz Prüfungsphase auf sich genommen. Ich danke Ihnen für dieses interessante Gespräch und wünsche Ihnen für Ihren nächsten Schritt alles Gute!
Sie erreichen Stefan Kirchner unter Tel. (02 28) 3 86 79 99 oder
E-Mail: kontakt@stefan-kirchner.eu. Website: www.stefan-kirchner.eu
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