„Frischer Wind für ein unerledigtes Thema: Geschlechtergerechte Sprache„

Liebe Leserinnen und Leser,

„Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie bitte Ihre Ärztin oder Apothekerin„.

Hm? Da stimmt doch was nicht, oder? Hat sich hier ganz dreist die weibliche Form reingedrängelt? Das fällt auf. Denn unsere sprachliche Realität, unser Alltag ist wie eh und je männlich: Der Arzt, der Apotheker, der Patient. Der Chef, der Mitarbeiter, der Kunde. Chefsessel, Mitarbeiterzeitung, Kundenbrief. Gott Vater, Gott Sohn und Heiliger Geist.

Unsere sprachliche Norm ist männlich. Frauen sind Randfiguren (Maria! Und die erste Bundeskanzlerin!). Sprachlich gesehen ein Sonderfall, die Ausnahme von der Regel. Schließlich heißt das „Bundeskanzleramt„ weiterhin „Bundeskanzleramt„, auch mit „Bundeskanzlerin„ drin. In unserer Sprache hat sich seit den 70er Jahren, wo zum ersten Mal die Diskussion über Frauen in der deutschen Sprache aufkam, erstaunlich wenig getan. Sprachlich betrachtet machen die Männer dieser Welt alleine ihr Ding, damals wie heute. Dabei entspricht das getextete Bild immer weniger der Wirklichkeit. Trotzdem machen wir alle oder doch die meisten von uns als Sprachschaffende und Bildungsanbietende mit, Männlein wie Weiblein: Aus Bequemlichkeit, aus Angst vor Reibereien, aus Ignoranz, mangels Verbesserungsideen.

Dieser Newsletter möchte Sie aufmerksam machen auf unsere noch immer verkrusteten, trotteligen und vermufften Routinen, die längst den frischen Wind unserer heutigen Zeit bräuchten. Er möchte Sie mit Argumenten versorgen, damit Sie in Ihrem Unternehmen, in Ihrer Organisation die Chance haben, das Fenster zur Welt zu öffnen und diesen frischen Wind auch in Ihr Büro und Ihre Publikationen einzulassen. Und er überreicht Ihnen nicht zuletzt einen bunten Strauß voller Ideen für eine geschlechtergerechte Sprache und eine entsprechende Bildungsarbeit, so dass Sie konkrete Tipps für Ihre alltägliche Arbeit in der Unternehmenskommunikation und in Sachen Personal frei Haus geliefert bekommen.

Ich freue mich sehr, in Dr. Gisela Pravda aus Berlin eine nicht nur fachlich ausgezeichnete sondern auch konstruktive Gesprächspartnerin gefunden zu haben, die nicht in der Analyse und im Jammern stehen bleibt, sondern die genau wie ich sagt: Achtung, das Thema ist nicht erledigt. Und jetzt wird´s Zeit, es endlich anzupacken und durchzuziehen.

Jetzt heißt es für alle, die sich organisationsintern und -extern reihenweise neue Freundinnen schaffen wollen, für alle, die wirklich konsequent am Erfolg ihres Unternehmens arbeiten und deshalb die zweite Hälfte der Menschheit für sich gewinnen wollen: Ärmel rauf, ran an die neue Sprache und zwar konsequent, kreativ und konstruktiv.

Viel Spaß beim Lesen und dann viel Erfolg!

Ihre Dr. Annette Hartmann

“ Die zweite Hälfte der Menschheit gewinnen „

wortstark: Frau Dr. Pravda, Ihre Biographie klingt so interessant, sie allein könnte schon das Interview füllen. Aber ich möchte noch Platz für unser Thema haben, deshalb sind meine Eingangsfragen nur ganz punktuell: Woher kommt Ihr Nachname?

Dr. Gisela Pravda: Von meinem tschechischstämmigen Mann, und er hat nichts zu tun mit der russischen Tageszeitung. Aber „Pravda„ heißt übrigens „Wahrheit„.

wortstark: Echt? Ich wollte schon immer mal die Wahrheit befragen! (lacht) 1962 hatten Sie zwei Berufsausbildungen abgeschlossen, Dolmetscherin für Englisch und die Diplom-Handelslehrerin. Wie kam es, dass Sie sich 40 Jahre später zur Promotion entschlossen?

Dr. Gisela Pravda: Lieber hätte ich gleich nach dem Diplom promoviert, da war aber die Referendarzeit existenziell. Ende der 60er Jahre habe ich mich dann beurlauben lassen, aber mein Professor war an dem Thema „Mädchenbildung„ nicht interessiert, und ich habe mich davon abbringen lassen. So haben sich dann Jahrzehnte später sozusagen meine Arbeitsergebnisse aus dem Bundesinstituts für Berufsbildung zur Dissertation ausgewachsen.

wortstark: Aha, die Zeit war zuerst noch nicht reif für Ihr Thema. Aber dafür kamen ja später die Ehrungen gleich doppelt: Kurz bevor Sie ihren Doktortitel erhielten, wurde Ihnen im Jahr 2000 das Bundesverdienstkreuz verliehen. Was war der Auslöser?

Dr. Gisela Pravda: Der Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) hat mich vorgeschlagen. Er wollte damit mein jahrzehntelanges Engagement für frauengerechte Berufsbildung würdigen, vor allem aber meine sechs Jahre in Kolumbien. Wir haben dort Frauen zu Industrienäherinnen ausgebildet, damit sie nicht mehr länger nur zwischen Putzen und Prostitution als Einkommensquelle entscheiden mussten – übrigens. so viele Putzstellen gab es nicht.

wortstark: Und hat es geklappt, sind die da wirklich rausgekommen aus dem Elend?

Dr. Gisela Pravda: Mit der Selbständigkeit hat´s zwar leider nicht geklappt, weil die Zahlungsmoral der KundInnen dort einfach unmöglich war. Aber wir haben unsere sehr gut ausgebildeten Näherinnen allesamt in Betrieben direkt am Flughafen in der Freihandelszone untergebracht, wo aus den USA Stoffe direkt verarbeitet und als Fertigprodukte wieder ausgeflogen werden.

wortstark: Toll! Entwicklungshilfe mit sichtbarem Ergebnis. Jetzt verstehe ich das mit dem Bundesverdienstkreuz. Nun aber zur biographischen Hauptfrage: Wie kamen Sie zu Ihrem Forschungsschwerpunkt der Frauenweiterbildung und dem Geschlecht in der Sprache? War da ein „Schlüsselerlebnis„ oder ergab sich das aus Ihren biographischen Stationen?

Dr. Gisela Pravda: Es ergab sich im Laufe der Zeit. Ich war schon von zuhause her immer wach für diese Themen und sechs Jahre Frauenprojekte tun ein Übriges. Der Stoff für meine Analyse hat sich in fünf Jahren angesammelt – nicht ganz von allein, aber in meiner normalen Arbeit im BIBB. Ich hatte Fernlehrgänge in kaufmännischen (!) und pädagogischen Fächern zu begutachten, von der Bilanzbuchhaltung bis hin zum Steuerfach, von der Volkswirtschaftslehre zur Ausbildereignungsverordnung und analysierte so etwa 25.000 Textseiten exemplarisch aus der Genderperspektive. Alle Lehrgänge sollten auf berufliche Fortbildungsprüfungen bei der IHK vorbereiten.

wortstark: Was fiel Ihnen dabei auf, was waren Ihre drei wichtigsten Ergebnisse?

Dr. Gisela Pravda: Die Lehrgänge ignorierten durchgängig Frauen – sie waren kein Thema. Ich habe das später „Die Lernerin – das unbekannte Wesen„ genannt. Sprache, Inhalt und Didaktik orientierten sich nur an Männern (Zur Inhaltsangabe/Buchbestellung). BuchcoverAuch die Beispiele, die gebracht wurden, stammten aus der männlichen Berufs- oder Alltagswelt. Da hieß es zur Frage, woran sich Auszubildende orientieren können, dass auch das Binden des Krawattenknotens zu solchen Vorbildhandlungen gehört. Und in den Abbildungen flitzten überall nur kleine Männchen herum, die „der Auszubildende„ hießen. Die Auszubildende und eine grafische Entsprechung gab es nicht. Und wenn schon mal eine Frau auftauchte, war es eine Kassiererin im Supermarkt als einziges Beispiel für Berufstätigkeit von Frauen. Oder es wird der einzigen Frau im Lehrbrief „Personalwirtschaft„ vom Geschäftsführer (!) gekündigt, weil sie die ihr “ obliegenden arbeitsrechtlichen Pflichten„ fortdauernd verletzt. Oder es ist die Inhaberin einer „kleinen„ Beratungsfirma, die dann aber Konkurs macht – gegen jede Statistik! Frauen wurden geringschätzig behandelt. Weibliche Azubis und Ausbilderinnen gab es in den Lehrtexten nicht – dabei war und ist das Personal- und Ausbildungswesen für Frauen ein bevorzugtes Kompetenzfeld.

wortstark: Und wie zeigte sich die mangelnde Geschlechtersensibilität in der Didaktik?

Dr. Gisela Pravda: In den Fernlehrgängen fehlte, was ich „weibliche Lernkultur„ nenne. Aus Modellversuchen wissen wir, dass Frauen sehr gut miteinander und auch erfolgreich in der Gruppe lernen.Weibliche Azubis ziehen partizipative Lernformen den hierarchischen vor, die auf Rivalität und Wettbewerb setzen. Dieser pädagogisch seit langem nachgewiesenen Tatsache wurde überhaupt keine Beachtung geschenkt. Mädchen müssen eben auf männliche Art lernen, basta.

wortstark: Hm, ich kenne Schulunterricht auch nur so, stimmt. Doch kommen wir jetzt zur Sprache, denn das ist für meine LeserInnen als Kommunikationsprofis zentral: Was können wir hier von Ihnen und Ihren Forschungsergebnissen lernen?

Dr. Gisela Pravda: Ich habe Checklisten entwickelt zur Vermeidung sexistischer Sprache –

wortstark: Entschuldigung, aber: Was ist das für Sie? Haben Sie eine Begriffsklärung?

Dr. Gisela Pravda: Ja. Also, ich finde die Definition der GRÜNEN 1990 in einem Antrag im Deutschen Bundestag gelungen. Es ging darum, die Sprache in Gesetzestexten geschlechtergerecht zu machen. Demnach ist eine Sprache sexistisch, wenn sie „Frauen und ihre Leistungen ignoriert, wenn sie Frauen nur in Abhängigkeit von und Unterordnung zu Männern beschreibt„. Ich kann aber auch sagen, wie´s stattdessen sein soll.

wortstark: Ja bitte, ich stehe immer sehr auf´s Konstruktive!

Dr. Gisela Pravda: „Durch die Verwendung weiblicher wie männlicher Personalbegriffe wird erreicht, dass Frauen wie Männer in jedem Kontext vorstellbar sind.„ Dies ist die Definition von Karl Ermert. Wenn Sie heute hören oder lesen „Arbeiter„, dann denken Sie automatisch an einen Mann im „Blaumann„ und nicht an eine Frau. Deshalb ist es wichtig, Frauen explizit anzusprechen. Wer beide Geschlechter meint, kann auch von „Arbeiter n und Arbeiter innen „ sprechen, „Automechaniker In „ schreiben, und „Bundeskanzler in oder Bundeskanzler„ sagen, damit Frauen – genau wie Männer – in allen Berufen und gesellschaftlichen Rollen überhaupt vorstellbar sind. Darum geht´s.

wortstark: Es gibt ja ein Buch, was komplett in der weiblichen Form und auch sozusagen andersherum aufgestellten Gesellschaft geschrieben ist. [Vgl. Literaturhinweise]. Da fällt einem – einer?!… erstmal auf, dass eigentlich vorher alles männlich war. Ich hab mich einst für fortschrittlich gehalten – bis ich das Buch gelesen habe, was ja auch sehr humorvoll verfasst ist. Ein echtes Leseerlebnis und für mich die beste Form „Sprache schafft Bewusstsein„ praktisch auszuprobieren. Erst mit dem Gegenentwurf vor Augen macht´s Klick im Kopf, bei Männern wie auch bei uns Frauen. Es muss ja bei beiden Klick machen.

Dr. Gisela Pravda: Egalia, ja g enau. Da begreifen wir die Unterscheidung im Englischen zwischen „sex„ und „gender„. Sex ist die biologische Festlegung des Geschlechts, und gender ist die erworbene Geschlechtsidentität, also das, was im Laufe des Lebens anerzogen wird oder entsteht. Gender ist eine soziale Kategorie der Selbstwahrnehmung, des Selbstwertgefühls und des Rollenverhaltens, also kurz gesagt: Ich bin Frau, weil ich dazu gemacht worden bin.

wortstark: Okay. Aber jetzt kommen wir doch nochmal konkret auf die Sprache. In der Unternehmenskommunikation, in den Pressestellen, Werbe- und Vertriebsabteilungen sowie den zuliefernden freien Agenturen sitzen ebenfalls Männer und Frauen tagtäglich am Drücker -oder am Drucker!- und könnten sicherlich frauenfreundlicher texten. Als Gegenargument Nummer 1 wird immer angeführt: Die Frauen extra anzusprechen, ist zu lang und umständlich. Ihre Antwort darauf?

Dr. Gisela Pravda: Ach so ein Quatsch! Das muss weder lang sein noch umständlich. Wer bei der sprachlichen Integration von Frauen ein Problem hat, der kann es einfach nicht. Müntefering hat neulich gesagt: „Wir wollen, dass jeder Auszubildende einen Ausbildungsplatz bekommt„. Er hätte leicht sagen können: „dass alle Auszubildenden„ einen Ausbildungsplatz bekommen, dann wären auch die weiblichen Azubis mit angesprochen worden. Hätte er stilistisch hervorgehoben „jeder und jede Auszubildende„, hätte er eine politische Botschaft an Arbeitgeber übermittelt, die gutwillig aber vielleicht noch sprachlich geschlechtsblind sind. Das waren wir ja schließlich alle!

wortstark: Jetzt muss ich advocata diaboli spielen und Ihnen an der Stelle nochmal contra geben: Bei längeren Texten oder Büchern zieht sich der Umfang aber schon in die Länge, wenn jedes Mal konsequent auch die weiblichen Formen genannt werden, also zum Beispiel „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter„.

Dr. Gisela Pravda: Luise Pusch hat, glaube ich, mal gesagt, sie hätte nichts dagegen, die männlichen Formen wegzulassen, wenn es zu lang wird. Aber im Ernst: Für solche Fälle gibt es doch die praktische Lösung mit dem groß geschriebenen „i„. In der Schriftsprache ist es schön kompakt und nur beim Vorlesen oder Aussprechen von Texten werden wirklich beide Formen gesagt. Außerdem gibt es noch das „Sie„ als direkte Anrede und so viele andere schöne Wendungen – auch wirklich geschlechtsneutrale, die Abwechslung reinbringen und trotzdem beide Geschlechter platzieren und adressieren. So wie bei den „Auszubildenden„ im obigen Beispiel funktioniert es immer beim Partizip und seinem Plural, also „die Andersdenkenden„, „die Angestellten„ und so weiter. Es gibt ganz viele Möglichkeiten, wir müssen nur wollen. Statt einer „Rednerliste„ ginge auch „Redeliste„ – ist sogar kürzer. Manche Personifizierungen finde ich auch völlig überflüssig. Was soll das: „Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker„? Werbung für den anonymen Mann – das haben gute Männer gar nicht nötig!

wortstark: Was halten Sie denn vom „Frauenvermerk„ am Anfang einer Publikation oder einer Rede, d.h. der oder die AutorIn bzw. RednerIn thematisiert, Frauen würden für den weiteren Fortgang in der männlichen Sprachform „mitgemeint„. Ist das ein guter Ansatz oder geht es genau in die falsche Richtung?

Dr. Gisela Pravda: Ganz falsche Richtung! Wenn es wirklich so wäre, dass beide Geschlechter gemeint sind, könnte der oder die AutorIn ja genauso gut alles in der weiblichen Form schreiben. Aber da würden sich die Männer doch auch nicht angesprochen fühlen?! Es gibt einen Dialog, der das wunderbar zeigt: Sagt der Mann zur Frau: „Du bist also Ingenieur?„- Sagt sie: „Ingenieurin!„ – Sagt er: „Das ist doch egal oder erschöpft sich Eure Emanzipation in Formalismen?„ Sagt sie: „Musst Du ja wissen, als Germanistin„.

wortstark: (lacht) Ha, der ist gut, den merk ich mir!

Dr. Gisela Pravda: Eine Sprache, die das Maskulinum als Norm ansieht, macht die Frau zu einer zu vernachlässigende Abweichung. Deswegen ist es wichtig, dass beide Geschlechter explizit in der Sprache vorkommen. Das ist keine Haarspalterei, sondern hat handfeste Folgen. Nehmen wir das Wahlrecht in der Schweiz, was sich die Frauen lange erkämpfen mussten. Im Gesetz stand nämlich „der Wähler„ – und das wurde jahrelang wörtlich genommen. Auch bei uns in Deutschland gab´s schon Probleme: Hier entbrannte plötzlich der Streit, ob eine Ehe, die von einer Standesbeamtin geschlossen wurde, überhaupt gültig ist? Denn im Gesetz heißt es „der Standesbeamte„. Es musste dann extra geklärt werden, dass auch Standesbeamtinnen eine rechtsgültige Trauung vollziehen dürfen. So wörtlich wird die Sprache also genommen, wenn es um Ausgrenzung von Frauen geht. Das gilt übrigens für alle Wissenschaften: Wenn Sie z.B. nicht „Patientin„ sagen, werden Frauen weiterhin über-, unter- und fehlmedikamentiert und sterben weiterhin häufiger am Herzinfarkt als männliche Patienten.

wortstark: Sind dann eigentlich heute die Ämter und Behörden in dem Thema fortschrittlicher als die Industrie, oder ist die Industrie weiter?

Dr. Gisela Pravda: Die Behörden sind deutlich weiter, weil sie müssen. Sie haben teilweise Richtlinien zur geschlechtergerechten Sprache als Reaktion auf die Ergebnisse der Arbeitgruppe Rechtssprache des Deutschen Bundestages im Jahr 1990. Und dann wurden ja in den letzten Jahren in sämtlichen Bundesministerien Pilotprojekte zum Gender Mainstreaming durchgeführt und die oberen Führungskräfte zwangsweise durch entsprechende Trainings geschleust. Viele haben sich dann aber auch wirklich dafür geöffnet und das Thema angenommen und weitergetragen in die nächsten Hierarchiestufen. Und beim Bundestag gibt es eine Geschäftsstelle der Gesellschaft für deutsche Sprache, die für diskriminierungsfreie Sprache zuständig ist.

wortstark: Aber eigentlich müsste die Industrie doch auch hinterher sein? Die Produkte werden sich immer ähnlicher, der Preiskampf wird immer härter. Da bleibt doch nur noch Service und Kommunikation, um bei den KundInnen zu punkten? Ein persönliches Beispiel: Ich plane zur Zeit meine nächste Fernreise. Da fällt mir schon auf, ob auf dem Anmeldeformular steht „Teilnehmeranmeldung„ und unten beim Namenseintrag „der Reisende„ oder „Reiseanmeldung„ und „Reisende Person„. Es ist zwar nicht mein Hauptkriterium dafür, wo ich schließlich buche, aber ich achte auf so etwas und buche lieber dort, wo auch Frauen angesprochen werden. Und bei den Frauen geht es doch um ein erhebliches KundInnenklientel – es geht sogar genau genommen um die Hälfte der Menschheit?!

Dr. Gisela Pravda: Ja klar! Es werden auch immer mehr Frauen, die darauf achten und sich ihrer speziellen Bedürfnisse bewusst werden.

wortstark: Ja, den Eindruck habe ich auch. Ach, da fällt mir noch etwas ein: Was machen Sie mit dem „man„: Ersetzen Sie es durch „frau„ oder schreiben Sie beides?

Dr. Gisela Pravda: Nein, oder besser: Das kommt auf die Situation an! Das Problem ist ja, wer „frau„ sagt, lenkt die Leute vom Inhalt ab. Da aber laut Duden „man„ von „Mann„ kommt, sollten verantwortliche Textschaffende das inflationär gebrauchte „man„ durch andere Formulierungen ersetzen, zum Beispiel durch „ich, wir, uns, Sie„.

wortstark: Sie haben recht, das funktioniert. Ich übe das übrigens an meinem Newsletter, und zwar nicht erst seit dieser Ausgabe. Es geht eigentlich ganz gut, man – ich! – muss und musste mich nur umgewöhnen. Meine veränderte Sprache fällt mir jedes Mal auf, wenn sich nach vollbrachter Tat die Word-Rechtsschreibkontrolle an jedem großen „i„ im Wort aufhängt. Aber mit der Wachsamkeit und Bereitschaft, alternativ zu formulieren, fängt es an. Fällt Ihnen denn abschließend noch etwas ein, was zu Ihrem Thema wichtig ist und worüber wir bisher nicht gesprochen haben?

Dr. Gisela Pravda: Ja, ich möchte gern eine Prognose abgeben und zwar eine positive: Es geht insgesamt aufwärts. Wir werden in zehn Jahren hier in Deutschland einen solchen Fachkräftemangel haben, dass die Betriebe lernen: Nur wer Frauen gezielt anspricht und nicht länger in eine undefinierbare Masse beide Geschlechter untermischt, wird genügend gute Fachkräfte bekommen. Die werden qualifizierte Frauen nur dann zu sich locken können, wenn sie sie dort abholen, wo sie sind: In Ihrer Identität als Frauen.

wortstark: Was für ein prächtiger Schlusssatz! Und wissen Sie, was mir jetzt an unserem Gespräch über das Thema Frauen in der Sprache besonders gut gefällt? Wir haben es schön konstruktiv angepackt. Ich freue mich über Ihre konkreten Verbesserungsvorschläge für eine geschlechtergerechte Sprache und über diese positive Zukunftsaussicht. Frau Pravda: Ganz besonderen Dank für dieses Gespräch.

Gisela PravdaSie erreichen Dr. Gisela Pravda unter gp@genderanalysen.de und Tel. 030 – 721 19 21. Website: www.genderanalysen.de

Literaturtipps:

Gerd Brantenberg: „Die Töchter Egalias. Ein Roman über den Kampf der Geschlechter.„ Frauenoffensive-Verlag, München 1987.

Karl Ermert (Hrsg.): Sprachliche Bildung und Kultureller Wandel, Loccumer Protokolle 56/1989, Evangelische Akademie Loccum, Rehburg-Loccum 1990, S. 193-206.

Luise F. Pusch: Die Frau ist nicht der Rede wert. Aufsätze, Reden und Glossen, Frankfurt/Main, 1999.

Luise F. Pusch: Das Deutsche als Männersprache. Aufsätze und Glossen zur feministischen Linguistik, Frankfurt/Main, 1991.

Luise F. Pusch: Alle Menschen werden Schwestern. Feministische Sprachkritik, Frankfurt/Main, 1990.

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