E-Mail, Chat und SMS: Moderne Alltagsmedien zwischen „können“, “dürfen“ und „müssen“
Liebe Leserinnen und Leser,
zu meinen Themen für diesen Newsletter komme ich auf ganz unterschiedliche Weise. Mit Abstand am häufigsten entwickle ich aus eigenem Erleben heraus ein Interesse an einem bestimmten Thema, habe es über Wochen und Monate im Hinterkopf und plötzlich taucht ein Experte oder eine Expertin auf, die ich dazu befragen kann. So war es auch diesmal.
Im Mai dieses Jahres hatte sich jemand für meine Dienstleistungen interessiert und fragte mich in seiner Antwort auf meine erste E-Mail vorwurfsvoll, was ich denn für eine Rechtsform hätte in meiner Firma und ob ich denn nicht wisse, dass seit 1. Januar 2007 diese Angabe grundsätzlich in die Signatur gehöre. Sehr schnell konnte ich über meinen Steuerberater abklären, dass mich diese Vorschrift nicht trifft, aber getroffen hat sie mich trotzdem, nur anders: Ich wurde auf mögliche juristische Wissenslücken aufmerksam im Bereich Alltagskommunikation. Was darf ich, was muss ich in die E-Mail-Signatur hineinschreiben? Wann ist aus juristischer Sicht E-Mail überhaupt das falsche Medium? Kann ich unten diese ganzen Standard-Angaben löschen, wenn ich auf eine solche „vorschriftsmäßige“ ausgestattete E-Mail antworte? Und wie ist das alles eigentlich bei dem Medium SMS?
Wie es der Zufall will (für mich gibt es keine Zufälle, nur diese sprachliche Wendung…), lese ich in der Führungskräftezeitschrift von Hewlett-Packard einen Artikel, in dem ein Vertragsrechtler zitiert wird, der sich auf neue Medien spezialisiert hat. Sehr schön!
So stelle ich Ihnen in dieser vorliegenden Oktober-Ausgabe des wortstark-Newsletters Dr. Wolfgang Hackenberg aus Reutlingen vor, der geduldig meine vielen Fragen beantwortete. Dies nicht nur als Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei, sondern gleichzeitig als begeisterter und avantgardistischer IT-Freund (er war weltweit der erste Online-Anwalt mit virtueller Kanzlei!) und dann auch noch als Verwaltungsrat. Für mich die ideale Mischung aus den Perspektive „was möglich ist“ (Technik), „was erlaubt ist“ (Anwalt) und „was sinnvoll ist“ (Unternehmer und Mitglied in einem Aufsichtsgremium). Sie dürfen gespannt sein.
Und bevor Sie sich in die Materie vertiefen, habe ich noch eine Bitte: Geben Sie mir doch mal wieder etwas Feedback, damit ich weiß, was Sie interessiert, welche Themen rund um die Unternehmenskommunikation es sind, die Ihnen monatelang im Kopf herumgehen und außerdem freue ich mich, wenn ich gelegentlich spüre, dass dieser Newsletter nicht nur abonniert sondern auch gelesen wird. Freut übrigens auch die ExpertInnen, die sich ebenfalls viel Zeit für solche Interviews nehmen. So, und nun bin auch ich gespannt… auf Ihre Reaktionen!
Ihre Dr. Annette Hartmann
„Juristische Aspekte moderner Alltagskommunikation im Unternehmen“
wortstark: Herr Dr. Hackenberg: Sie sind Vertragsrechtsspezialist und befassen sich unter anderem mit den „leicht flüchtigen“ modernen Medien wie E-Mail und SMS. Wie kamen Sie zu diesem Beruf mit dieser Spezialisierung: Gab es hierfür ein Schlüsselerlebnis?
Wolfgang Hackenberg: Sobald es eine neue Technologie gibt, probiere ich sie aus. Und Mitte der 90er Jahre war ja in der IT noch Steinzeit. Da gab es nicht viele Anwälte, die sich damit auskannten. Jeder, der in der Branche wusste wie man „mouse“ schreibt oder „motherboard“ buchstabiert war dafür prädestiniert, den Bereich ITK ( Informations- und Telekommunikationstechnologie) zu betreuen. Schon ab 1994 war in operativ für die ITK in der Anwaltskanzlei zuständig. Ab 1999 dann sogar als geschäftsführender Gesellschafter einer großen Reutlinger Sozietät.
wortstark: Und das haben Sie nicht studiert, sondern eben ausprobiert…?
Wolfgang Hackenberg: Genau. Ich hatte mich schon früh mit Computern angefreundet, schon zu Zeiten, als es noch Lochkarten gab. Alles danach ist learning-by-doing gewesen.
wortstark: Gab es überhaupt so ein richtiges Schlüsselerlebnis oder ist Ihr Interesse und sind Ihre IT-Kenntnisse einfach im Laufe der Zeit gewachsen?
Wolfgang Hackenberg: Nein, es gab sogar zwei richtige Schlüsselerlebnisse. Ich hatte mir auf die Fahnen geschrieben, dass ich erst dann eine neue Technologie auf meine MitarbeiterInnen oder KollegInnen loslasse, wenn ich sie selber ausgetestet habe: Wie geht man mit so was um? Wie integriert man das in den Arbeitsalltag, in den doch sehr spezifischen Arbeitsalltag eines Anwalts, Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers? Und was kann da alles passieren?
wortstark: Jetzt machen Sie es aber spannend… Was ist Ihnen passiert?
Wolfgang Hackenberg: Erfahrung Nr. 1 waren die E-Mails, die ich sehr früh ausprobierte und festgestellte, die ziehen einen ganzen Rattenschwanz an Problemen nach sich: Das geht los mit „wann benutze ich überhaupt eine E-Mail?“, drucke ich die aus oder wie archiviere ich überhaupt E-Mails, wo speichere ich die hin, oder Inhaltsfragen, Betreffzeilen und so weiter. Dann gab es ein Generationenproblem: Unsere älteren KollegInnen haben sich einfach geweigert, dieses Medium anzunehmen. Ich konnte das nicht unternehmensweit ausrollen. Und dann kam das große Problem der privaten Nutzung: Kein System kann unterscheiden, was ist privat und was ist geschäftlich? Das liegt alles gemeinsam irgendwo auf den Festplatten und Speichermedien des Unternehmens herum. Auch das Reaktionsverhalten war ganz unterschiedlich: Die einen haben auf E-Mails sofort geantwortet, die waren happy, dass einer dieses Medium benutzt und von anderen hat man einen Monat lang gar nichts gehört, weil die eben nur so selten ihren Account geleert haben. Dann die Frage, wo geantwortet wird: Oben drüber über dem Text, der einem geschrieben wurde? Unten drunter? Oder am schlimmsten: „Inline“, also zwischen die Zeilen der ursprünglichen Nachricht. Das bringt für die Dokumentation von solchen Korrespondenzen erheblichen Regelungsbedarf mit sich.
wortstark: Aber Sie sind letztlich mit dem Medium nicht auf die Nase gefallen, oder?
Wolfgang Hackenberg: Doch. Erstens konnte ich das Medium nicht so wie geplant unternehmensweit ausrollen. Und zweitens ist mir in der Eile eine E-Mail an jemand rausgegangen, den das überhaupt nicht zu interessieren gehabt hätte: Ich habe einfach die falsche Adresse im Verteiler gehabt.
wortstark: Oh je… Geheimhaltungspflicht, gerade beim Anwalt! Und dann?
Wolfgang Hackenberg: Es ging nochmal gut, der Gehalt dieser fehlgelaufenen Informationen war nicht so schwerwiegend, aber es war mir eine Lehre. Ab dieser Zeit habe ich erstens eingeführt, dass vor „Senden“ noch ein zweites Mal ganz genau geguckt wird. Zweitens werden in meiner Kanzlei oder in von mir betreuten Unternehmen wirklich wichtige Informationen nicht mehr per E-Mail geschickt sondern nur per Post oder per Telefax.
wortstark: Ja, das kann ich nachvollziehen.- Und was war Ihr zweites Schlüsselerlebnis?
Wolfgang Hackenberg: Ich war weltweit der erste Online-Anwalt. Mit sehr viel Aufwand hatte die Advopolis AG virtuelle Kanzleien, public rooms etc. programmiert. Da geht man dann mit seinem Avatar –
wortstark: Mit wem?
Wolfgang Hackenberg: Eine Figur, die einen selbst darstellt im dreidimensionalen Chat-Room, mit der geht man hinein. Dort sind dann noch Call-Center-Agenten unterwegs, die einen aktiv ansprechen, es gibt Extra-Bereiche, wo man zu zweit oder zu mehreren ist und öffentliche Bereiche, wo jeder jeden ansprechen kann.
wortstark: Aber man weiß doch gar nicht, wer der andere ist, hinter diesen Kunstfiguren?
Wolfgang Hackenberg: Genau, das gab ganz interessante Erfahrungen, unter anderem mit der Identifizierung. Ich bin zuerst mal von KollegInnen getestet worden, die standen hinter den vermeintlichen Interessenten.
wortstark: Starkes Stück! Und haben Sie auch richtige KundInnen gefunden auf dem Weg?
Wolfgang Hackenberg: Ja, und man ist auch mit ihnen im Dialog. Aber was fehlt, ist einfach die Sprachmodulation, und der Ton, der zum Beispiel Ironie anzeigt oder auch Hintergrundgeräusche, die Informationen geben. Insgesamt waren dadurch die Missverständnisse so schlimm, dass ich heute sage: Sowas ist ganz nett, aber kein Geschäftsmodell. Soweit ist eben die Technik noch nicht, dass sie wirklich die Feinheiten der Kommunikation abbilden könnte. Und deshalb ist meine Lehre: No go für Chat in der geschäftlichen Korrespondenz.
wortstark: Warten Sie also auf bessere Technik oder gilt Ihr Nein generell für diese Kommunikationsform?
Wolfgang Hackenberg: Generell. Für die Klärung von heiklen Sachverhalten ist das gesprochene Wort besser oder die Muße, mit der ein Geschäftsbrief geschrieben werden muss. E-Mail ist zu schnell und das ist gefährlich. Und Chat ist durch die genannten Nachteile für das Geschäftsleben ungeeignet. Beim Chat kommt hinzu, dass beide Partner zum gleichen Zeitpunkt eine Telefonleitung benutzen, also steht vermutlich das Telefon in der Nähe, dann könnten sie es auch benutzen. Und auf diese Weise übrigens auch vermeiden, dass ihre ganze Kommunikation automatisch in die Chat-Protokolle kommt, als personen- und kontextbezogene Inhalte.
wortstark: Huch? Gut zu wissen. – Die Chats sind nach meiner Beobachtung allerdings im Job nicht so üblich, E-Mails dagegen sehr. Sie warnen in diesem Artikel in der Führungskräftezeitschrift von Hewlett-Packard, es habe sich noch nicht genügend herumgesprochen, dass auch E-Mails an KundInnen Geschäftsbriefe sind. Wie kommen Sie zu dieser Aussage?
Wolfgang Hackenberg: Ich lese die Dinger! Da gibt es Anwaltskollegen, die diktieren ihrer Sekretärin den Inhalt ihrer E-Mail. Oder es gibt noch viele Leute, die denken, dass E-Mails auf 160 Zeichen beschränkt sind und lassen deshalb schonmal vorsichtshalber die Betreffzeile weg. Oder sie vertauschen munter BCC und CC bei den Kopien. Das Wissen über das Medium E-Mail ist erschreckend gering, auch heute noch.
wortstark: Was heißt das einerseits für alle MitarbeiterInnen, andererseits speziell für die Kommunikationsverantwortlichen im Unternehmen?
Wolfgang Hackenberg: Was verstehen Sie unter den Kommunikationsverantwortlichen?
wortstark: Institutionalisierte Unternehmenskommunikation: Leute aus Werbung, Vertrieb, Pressestelle, für die interne Kommunikation sind manche auch aus der Personalabteilung.
Wolfgang Hackenberg: Ich hätte gern mal EINEN Kommunikationsverantwortlichen für alle Kommunikationsbereiche! Das wäre eine gute Idee.
wortstark: Das gibt es insofern, als gerade für E-Mails unternehmensweite Handbücher herausgegeben werden – siehe mein Interview bereits vom März 2002 im wortstark-Newsletter Nr. 4.
Wolfgang Hackenberg: Das wird alles immer nur als Projekt aufgesetzt, dann gibt es ein schönes Buch dazu, das kommt wie alle CI-Handbücher ins Regal und verstaubt und nach einem Jahr gibt es schon 250 neue MitarbeiterInnen, die davon überhaupt nichts wissen. Da fehlt der kontinuierliche Prozess!
wortstark: Was schlagen Sie stattdessen vor?
Wolfgang Hackenberg: Die Unternehmen machen den Fehler, schon die Frage der Medienwahl den MitarbeiterInnen zu überlassen. Und dann übertragen die Leute ihre privaten Gewohnheiten auf ihren Job, anstatt zum Beispiel gleich einzuführen, dass keine Terminvereinbarungen per SMS getroffen werden dürfen, weil diese Daten sonst nicht archivierbar sind.
wortstark: Moment, da sage ich als Kommunikationsspezialistin: Es gibt verschiedene Typen. Der eine telefoniert lieber, der andere tippt eine SMS oder Mail. Und dann gibt es noch verschiedene Situationen, Stimmungen, Konstellationen. Diesen komplexen Rahmenbedingungen würde eine einheitliche Regel kaum gerecht, oder?
Wolfgang Hackenberg: Unternehmen sind dazu da, Geld zu verdienen und nicht Mitarbeiterbedürfnisse zu befriedigen, dass der eine lieber mailt und der andere lieber telefoniert. Geschäftsinformationen müssen irgendwo hingepackt werden, wo sie dokumentiert sind. Ich vertrete immer die Blitzschlagtheorie: Wenn der eine Mitarbeiter heute vom Blitz getroffen wird, wo sind seine Informationen? Was ist an Terminen vereinbart? Mit wem hat er Kontakt? Wo steht das alles? Hier gilt es einen Interessensausgleich zu schaffen mit persönlichen Vorlieben.
wortstark: Hm, okay, verstehe. Bleiben wir doch noch bei der E-Mail. Ich habe Ihnen ja im Vorgespräch erzählt und im Editorial wiedergegeben, was mir mit der E-Mail-Signatur im Frühjahr passiert ist. Welche Angaben müssen rein rechtlich in eine E-Mail-Signatur hinein?
Wolfgang Hackenberg: Die Signatur besteht meist aus zwei Teilen. In den ersten Teil der Signatur gehört von Gestzes wegen der Firmenname, der Rechtsformzusatz, der Geschäftssitz oder die Niederlassung mit vollständiger Adresse, das zuständige Registergericht und die Registernummer, die Namen des Geschäftsführers, Vorstandsmitglieder (Name des Vorstandsvorsitzenden in Klammern), Namen der Aufsichtsratsmitglieder, und zwar jeweils ausgeschriebener Vorname und Familienname. Und eigentlich auch noch der Hinweis auf das Kapital, wenn es nicht vollständig erbracht wurde. Und die Steuernummer oder Umsatzsteuer-ID wird zwar empfohlen, aber ich sage, das reicht auf der Rechnung. Im zweiten Teil der Signatur steht meist die Confidential Notes. Häufig in mindestens in zwei Sprachen, besser in drei Sprachen. Da steht drin, dass die E-Mail vertraulich ist und nicht ungefragt weitergeleitet werden darf. Und womöglich auch noch ein Disclaimer, mit dem sich der Versender vom Inhalt mitgesandter Links distanziert. Solche Confidential Notes sind allenfalls im anglo-amerikanischen Rechtsraum hilfreich. Im deutschen Recht sind die Hinweise weder vorgeschrieben noch nutzenstiftend.
wortstark: Bei dieser langen Liste ist die E-Mail ja allein mit Formalien gefüllt! Aber zum Glück nicht bei jedem Unternehmen. Wer muss das machen?
Wolfgang Hackenberg: Nach § 37a HGB jeder eingetragene Kaufmann, jede GmbH, OHG, KG oder Mischungen davon, sowie die AG, gegebenenfalls auch die GbR. Angehörige von freien Berufen müssen laut §15b HGB nur mit ausgeschriebenem Vornamen und Familiennamen auftreten.
wortstark: Ja, danke, für mich selbst weiß ich es schon. Und warum müssen diese Firmen mit diesen obengenannten Rechtsformen das alles angeben?
Wolfgang Hackenberg: Es geht um die Authentifizierung und um die Einschätzung der Haftungsmasse. Wenn man mit jemand in eine Geschäftsbeziehung tritt, sind das wichtige Informationen.
wortstark: Okay, aber wirklich nur am Anfang, oder? Dann könnten sie es doch später eigentlich weglassen, diesen ganzen langen Passus unten in der Signatur?
Wolfgang Hackenberg: Ja. Aber vor lauter Angst davor, dass jemand vergisst, im Erstkontakt diese Angaben an seine E-Mail zu hängen und dass die Firma dann Ärger bekommen kann, haben selbst große DAX-notierte Unternehmen vorsichtshalber ihre E-Mail-Server so eingerichtet, dass unten automatisch der ganze Absatz angefügt wird, und zwar jedes Mal, bei jeder rausgehenden E-Mail – mit abenteuerlichen Konsequenzen.
wortstark: Das ist doch Wahnsinn! Das besetzt doch überall Raum, erst beim Verschicken, anschließend beim Speichern. Dann wenigstens Kommunikationsökonomie zu eigenen Gunsten: Darf ich eine lange Signatur des E-Mail-Gesprächspartners „abschneiden“, wenn ich ihm antworte, damit diese ganze Latte an Daten nicht erneut verschickt wird? Ich empfinde das zwar als unhöflich von mir, wenn ich seine Daten abschneide, meine aber nicht, aber ich will ihm meine Telefonnummer und URL als Service erhalten – er selbst kennt seine Angaben. Darf ich also abschneiden?
Wolfgang Hackenberg: Ja! Selbstverständlich können und sollten Sie in Ihrer Antwort seine ganzen Pflichtangaben abschneiden. Ihre Antwort ist ja eigentlich nur eine Kopie seines Anschreibens und mit Ihrer Kopie können Sie machen, was Sie wollen.
wortstark: Und was würden Sie den großen Firmen empfehlen, die zum Versand der vielen Angaben verpflichtet sind?
Wolfgang Hackenberg: Die IT-Verantwortlichen sollten mal durchrechnen, was es auf die Dauer kostet, wenn sie durch solche Automatismen so viel Datenmüll produzieren, verschicken und archivieren.
wortstark: Stimmt. Andererseits: Das sind eben keine JuristInnen, die haben das Fachwissen nicht und ich verstehe hier ein gewisses Sicherheitsdenken. Was sollten die Unternehmen denn wissen, wenn es um die Archivierung von Geschäftsvorgängen geht?
Wolfgang Hackenberg: Also erstmal: Wenn sie das Fachwissen nicht haben, dann sollten sie es sich einkaufen anstatt immer weiter Kosten zu produzieren oder zu warten, bis es den ersten Ärger gibt. Wir Anwälte sind keine Vollkasko-Versicherung für Unternehmen, die immer einspringt, wenn ein Schaden entstanden ist. Die Leute sollten sich darum kümmern, dass ein Job richtig gemacht wird: Zeit, Leistung, Vergütung klar und umfassend regeln, und zwar zu einem Zeitpunkt, wo sich noch alle vertragen. DAS ist Vertragsrecht! Und nicht irgendwelche Haftungs- oder Vertragsstrafeklauseln, das wäre tote Materie.
wortstark: … Hut ab: Tolles Plädoyer für Ihren Berufsstand! Aber ich komme trotzdem nochmal auf meine Frage zurück: Wie halte ich die ganzen Kommunikationsvorgänge lebendig, Stichwort Archivierung?
Wolfgang Hackenberg: Dafür gibt §257 HGB einen ganze Menge Hilfestellungen. Die GdPDU nehmen diese Hilfestellungen in § 147 Abgabenordnung auf und halten eine Vielzahl von verpflichtenden Regelungen bereit. Die Abkürzung steht für „Grundsätze der Prüfung digitaler Unterlagen“. Nach meiner Schätzung erfüllen das vielleicht fünf Prozent der deutschen Unternehmen. Der Rest läuft gesetzeswidrig durch die Gegend, obwohl sich nach einer Studie der Uni Hamburg und der European Business School 90 Prozent aller Führungskräfte zu Compliance – Einhaltung von Gesetzen und revisionsrechtlichen Bestimmungen – bekennen. (Hab ich aus Blue Line übernommen! Sehr gut!!!)
wortstark: Dann haben Sie ja gut zu tun in Zukunft…
Wolfgang Hackenberg: Ich sehe das nicht nur durch die klassische Juristenbrille, sondern ich habe einen ganz anderen Ansatz: Als Unternehmer mache ich nichts nur deswegen, um Gesetze zu erfüllen, sondern um Geld zu verdienen. Das Unternehmen soll laufen, und für dieses Ziel ergibt sich die Einhaltung von Gesetzen dann von selbst. Denn das will das Gesetz schließlich auch.
wortstark: Sie sehen andere Prioritäten?
Wolfgang Hackenberg: Ich sehe andere Treiber. Gut, es wird immer einen Rest von Dingen geben, die man tun muss, um den Gesetzgeber zu befriedigen, hier ist zu fragen: Was passiert, wenn ich es nicht tue? Aufwand und Nutzen sind ins Verhältnis zu setzen.
wortstark: Übertragen auf die Archivierungspflicht: Wie soll ich denn nun archivieren? Reicht zum Beispiel für so ein kleines Unternehmen wie meines eine monatliche Sicherungskopie auf CD?
Wolfgang Hackenberg: Das kommt auf das jeweilige Ziel der Archivierung an. Die kurzfristigste Archivierung ist das Speichern zwecks permanentem Zugriff im operativen Geschäft, also zum Beispiel während ein Projekt oder ein Auftrag noch läuft. Dann geht es um Langzeitarchive für Projekte, die abgeschlossen sind aber wo die Aufbewahrung zum Beispiel später für die Produkthaftung wichtig sein kann. Und dann geht es um revisionssichere Archivierung, die alle Geschäftsvorgänge – und zwar nicht nur die Rechnungen, sondern auch beispielsweise Nebenabreden per E-Mail über einen einmaligen Preisnachlass von zehn Prozent – so gesichert ist, dass sie in den Originalzustand zurückversetzt werden könnten, zum Beispiel für einen Betriebsprüfer. Wenn Ihre CD zehn Jahre hält – okay. Beim Telefonat reicht eine Notiz auf Papier, beim E-Mail muss die echte Mail verfügbar sein, und zwar digital, nicht auf Papier. Und jetzt stellen Sie sich mal vor, jemand macht eine solche Preiszusage nur per SMS?
wortstark: Ja… Während Sie für diese Situationen von leicht flüchtigen Medien abraten, fühle ich mich direkt wohl, während ich sonst gelegentlich denke, vielleicht bin ich unmodern, weil ich bestimmte Dinge einfach traditionell schwarz auf weiß haben will?
Wolfgang Hackenberg: Es geht nicht um unmodern oder nicht! Angenommen, dass „Stille Post“ noch so modern wäre. Für eine unternehmensweite Verbreitung von Informationen, ist sie doch trotzdem ungeeignet. Und generell gilt: Alles, was später mal das Finanzamt interessieren könnte, das interessiert mich als Firma doch als erstes! Es ist vital für das Unternehmen, zu wissen, wie und warum welche finanziellen Transaktionen laufen und so etwas auch später noch nachvollziehen zu können.
wortstark: So wird aus dem Zwang des Gesetzes ein Wollen, mit eigener Motivation?
Wolfgang Hackenberg: Ja, so ist es.
wortstark: Hm, jetzt hat es auch bei mir Klick gemacht.- Offene Frage: Wenn Ihnen etwas einfällt, was Ihnen sonst noch zu Ihrem Thema wichtig ist und worüber wir bisher nicht gesprochen haben, dann ist hier Raum dafür. Vielleicht ein bemerkenswertes Ereignis, einen Appell an den Nachwuchs oder einen Trend?
Wolfgang Hackenberg: Ja, ich erlebe in letzter Zeit einen Trend, eine negative Tendenz in Konfliktsituationen, die heißt CYA, „cover your ass“ – entschuldigen Sie bitte den Ausdruck. Da bauen Leute wichtige Informationen in ihre E-Mails ein, aber so weit unten und gut versteckt zwischen belanglosem Unfug, dass sie damit rechnen können: Der Empfänger liest sie nicht sorgfältig. Und wenn dann etwas schief geht, und es kommt zu Wortwechseln wie „hättest Du mich über X informiert, dann hätte ich Y gemacht“ und so weiter, dann heißt es triumphierend: „Hab ich Dir doch geschrieben, in der E-Mail vom 14….!“. Damit meinen dann manche, sich aus der Verantwortung ziehen zu können. Aber es gibt bessere Wege, absehbare Konfliktsituationen frühzeitig zu bereinigen.
wortstark: Das glaube ich allerdings auch. Vielen Dank für dieses hochinteressante Gespräch, Herr Dr. Hackenberg!
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