„Friesischer Leuchtturm – Licht für Kommunikation und Kooperation„

Liebe Leserinnen und Leser,

Sie kennen die Briefmarke „Westerheversand“ mit dem rot-weiß gestreiften Leuchtturm? Dieser friesische Leuchtturm erinnert mich nicht nur mehrere Ferienaufenthalte an der deutschen Nordseeküste, sondern steht als Bild für meinen langjährigen Trainer, Coach und Supervisor Hans-Joachim Stabenau, der in Friesland wohnt.

Zum ersten Mal hat er mir 1993 eine Orientierung gegeben, als ich mit dem Wunsch, eine geisteswissenschaftliche Dissertation zu schreiben, innerhalb des Technikkonzerns Siemens wie in einem riesigen Ozean herumpaddelte, um für mein Projekt finanzielle und ideelle Unterstützung zu finden. Mit regelmäßig wiederkehrendem Licht lotste mich Hajo Stabenau um die bürokratischen Klippen herum und zu den richtigen Leuten, wo ich ankern konnte und schließlich bekam, was ich für meine Arbeit brauchte.

Aus pädagogischem Idealismus heraus ermöglichte Hajo Stabenau mir über Jahre hinweg immer wieder die Teilnahme an seinen ausgezeichneten Trainings für Kommunikation und Zusammenarbeit (ZGZ), die Siemens für junge High Potentials durchführte. Dadurch erhielt ich – unverbrieft aber dafür in der Praxis spürbar – eine erstklassige Ausbildung und jenen praxistauglichen Schliff, der in unserem Wirtschaftsleben stets nur einer kleinen Elite vorbehalten ist.

Damit nicht genug: Hajo Stabenau erklärte sich zusätzlich bereit, als Gutachter meine Dissertation zu betreuen, was sich als sehr zeitintensiv entpuppte, weil meine Arbeit nicht nur den Dialog zum Gegenstand hatte sondern auch über viel angewandten Dialog entstand. Und er war da, als gegen Ende des Forschungsprojekts eine Folge privater Unwetter fast das ganze Vorhaben zum Kentern brachte. Wann immer ich in dieser und der nachfolgenden Umbruchzeit S.O.S. funkte, bekam ich ein tröstliches Lichtsignal und früher oder später Gelegenheit zum ausführlichen, konstruktiven Gespräch. So lernte ich auch nach Ende der Dissertation weiter Stabenau´s humanistisch geprägte Lektionen, diesmal: Coaching. Als ich nach Jahren der Coachingerfahrung selber ab 2003 diese Form der Kommunikationsdienstleistung anbot, verlagerte sich unser Austausch auf die Ebene der Supervision und mittlerweile pflegen wir längst auch eine private Freundschaft, die mich mit der ganzen friesischen Familie rund um „den Leuchtturm“ verbindet.

Was haben Sie nun von dieser meiner privaten Geschichte, liebe Leserinnen und Leser? Sie lernen im folgenden Interview einen Experten kennen, der mehr als die meisten Menschen seinen hohen beruflichen Ansprüchen genügen will, häufig genügt und dafür aber auch sehr viel tut. Solche durch und durch auf Glaubwürdigkeit und Konsequenz ausgerichteten Menschen kenne ich nur wenige. Und es ist natürlich kein Zufall, dass ich gerade ihn für die Schnittstelle zwischen beruflicher und privater Kommunikationskompetenz befragt habe, denn da wird´s ja bei vielen von uns spannend – das sage ich aus eigener Erfahrung. Weihnachten wirkt dabei wie ein Punkt im Jahr, wo sich Privates klarer und heller als sonst herauskristallisiert und wir manche Dinge möglicherweise besser erkennen können.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen, Erkennen, Nachdenken und – Feiern!

Ihre Dr. Annette Hartmann

„Schusters Kinder.? Kommunikationsprofis beruflich und privat“

wortstark: Herr Stabenau, Sie sind Kommunikations- und Kooperationstrainer und Sie coachen Führungskräfte und Paare. Gab es irgendein „Schlüsselerlebnis“ in Ihrer Biographie, welches Sie zu diesen Tätigkeiten führte? Oder wann und wie ergab sich das bei Ihnen?

Hajo Stabenau: Das Schlüsselerlebnis war mein spätes Studium. Nachdem ich zehn Jahre lang als Offizier der Bundeswehr Führungsverantwortung hatte, war mir einiges an Fehlern und Unverständlichem an meiner eigenen Praxis aufgefallen. Ich studierte Erziehungswissenschaften mit Schwerpunkt Erwachsenenbildung und habe dadurch meine

Praxiserfahrungen systematisch reflektieren können. Vor allem Impulse des Bundeswehr-Konzepts der „Inneren Führung“ haben mir sehr die Augen geöffnet für moderne Menschenführung. Nach Bundeswehrzeit und Studium war ich dann über zwanzig Jahre Trainer in der Führungskräfteweiterbildung bei Siemens. Ich habe ich mich beim Training auf Kommunikation und Kooperation konzentriert, weil ich der Meinung bin, dass ein essentieller Teil von Führung aus Kommunikation besteht. Coaching ist kein Ersatz für Führen, sondern ergänzt als Führungsstil den kommunikativen Schwerpunkt.

wortstark : Und wie kamen Sie zum Coaching für Paare?

Hajo Stabenau: Ich habe Führungskräfte oft unsicher erlebt wenn sie ihre neuen Möglichkeiten dienstlich erfolgreich anwenden konnten, aber das auch privat nutzen wollten .. und da klappte es eher nicht. Als Partner ist man meist für den Partner ein schlechter Trainer. Wenn mein Partner nicht beruflich tätig ist und/ oder Weiterbildung nicht in demselben Ausmaß machen kann, dann hinkt er eben in diesem Aspekt von Weiterentwicklung hinterher. Auf Bitten von Seminarteilnehmern biete ich heute speziell für Führungskräfte und deren Partner Kommunikationstrainings an.

wortstark : Also aus der Praxis geboren .

Hajo Stabenau: . ja, aus der Praxis und der Reflektion dieser Praxis! Das Erleben alleine reicht nicht. Aus dem Erlebnis muss erst Erfahrung werden und das geht über Reflektion. Das habe ich an meinem Lebensweg sehr persönlich erfahren können.

wortstark : Da sind wir schon mitten im Thema, denn mich interessiert ja in diesem Gespräch besonders dieser Bruch zwischen Kommunikationsprofessionalität im Beruf und im Privatleben. Es gibt die Sprüche: „Schusters Kinder haben immer die schlechtesten Schuhe“, „Ärzte leben besonders ungesund“ und „Manager, die im Job alles im Griff haben, versinken privat im Chaos“ (siehe den Buchtitel von Günter Gross „Beruflich Profi, privat Amateur“). Wie sehen Sie dieses Phänomen? Gibt es das für Sie?

Hajo Stabenau: Das finde ich spannende Feststellungen! Ich bin natürlich selbst konfrontiert durch meine Frau, wenn sie mir immer mal wieder sagt: „Du bist jetzt nicht im Seminar!“ Meine Familie erlebte meine Art zu kommunizieren manchmal als aufgesetzt und unnatürlich. wenn wir uns zum Beispiel über die Kommunikation untereinander unterhielten, nachdem Gäste, Kollegen oder Schulfreunde zu Besuch waren und ich erklären sollte, warum und wie sie hätten alternativ kommunizieren können. Oder ich wollte ihnen bei Streitereien helfen. Das fanden sie dann meist ungewohnt und kompliziert bis anstrengend. Solche Erfahrungen hörte ich auch von Trainerkollegen, die von ihren Schwierigkeiten mit Transfer zuhause, im Verein, . erzählten.

Der für mich entscheidende Punkt ist: Ich kann mir als Trainer bewusst machen, dass ich keinen Auftrag habe, meine Familie zu trainieren. Gegenüber Kindern kann ich es ja eventuell noch aus dem Erziehungsauftrag ableiten, aber für den Partner, den Kollegen oder den Freund gibt es diesen Auftrag nicht . und schon gar nicht ohne ausdrückliche Vereinbarung. Also keine Analyse und keine Experimente – im Privaten. Wie aber soll ich dann mein Know-how dem Partner, den Kindern, den Freunden zugute kommen lassen? Nur über das eigene Vorbild zu wirken, ist sehr mühselig und ein langer, geduldiger Weg. Jedenfalls habe ich das so erlebt. In Bezug zu meinem Partner: Wie soll der andere autonom bleiben, wenn er einen übermächtigen Experten zuhause hat? Hilfreich finde ich die Überlegung von Watzlawick, wonach erfolgreiche Paarbeziehungen asymmetrisch aussehen sollten, wo sich also Partner auf Augenhöhe begegnen. Ein Trainer aber wirkte komplementär, so ergäbe sich eine Schieflage.

wortstark : Sie sehen also das Phänomen, sogar auch an sich selber, was ich sehr glaubwürdig fand. Aber wie kann es denn besser funktionieren, was meinen Sie?

Hajo Stabenau: Der Andere muss mitbestimmen können. Sonst ist es eine unangefragte Belehrung, das erinnert an die Schule, das will keiner. In unserem Bildungssystem ist eine ziemlich absolute Belehrungsdidaktik etabliert, die eher Widerstand erzeugt. Der Konstruktivismus stellt dem eine Ermöglichungsdidaktik zur Seite. Dem überzeugenden Trainer muss es gelingen, zu ermöglichen und Alternativen aufzuzeigen, ohne dass der andere das Gefühl hat, sich gegen Kritik rechtfertigen zu müssen oder etwas nicht gut genug zu machen. Dann werden der Trainer und sein Angebot auch eher angenommen. Es geht um autonome Entscheidungen: „Ich will etwas bei mir überprüfen und eventuell verändern“.

wortstark : Ja, danke. – Wenn ein Mensch nun als Profi in einem oder mehreren Facetten seines Lebens inkonsequent ist, riskiert er oder sie in Ihren Augen dadurch auch im Job an Glaubwürdigkeit? Also gehen Sie noch zu einem Arzt, der Kettenraucher ist?

Hajo Stabenau: Ich finde es interessant, das mal so auf die Spitze zu treiben ., aber ich möchte mit der Frage lieber bei mir als Trainer bleiben. Ich bin glaubwürdig, wenn ich zeige, dass es mir nicht in erster Linie um Belehren und um Ratschläge geht. Aber dazu muss ich auch tatsächlich überzeugend kommunizieren können. . Und: Falsch und richtig gibt es für mich in den Sozialwissenschaften nicht. In dem Moment gehe ich auf Augenhöhe. Ich stelle mich mit meinem Verhalten der gleichen Frage und Herausforderung: War ich mit meiner Kommunikation wirksam? Wirksamer als der Partner? Der andere ist leichter bereit, sich zu öffnen, einen Wandel seiner Deutungsmuster, Prinzipien, Haltungen und Einstellungen zuzulassen.

wortstark : Beispiel?

Hajo Stabenau: Sagen wir mal, ich will jemand anregen, mehr offene Fragen zu stellen. Dann muss ich erstmal innerlich selbst akzeptieren, dass er mit seinen geschlossenen Fragen bisher in seinem Leben offenbar Erfolg hatte. Also muss ich ihm zeigen, dass er durch offene Fragen vom Partner Dinge erfährt, nach denen er nie hätte direkt fragen können, weil er nichts von ihnen gewusst hat und sie auch nie von ihm erfahren würde. Da könnte der Perspektivenwechsel anfangen. Die Wirksamkeit der Kommunikation liegt dann nicht im Ausfragen-Können, sondern im Öffnen zu mehr Information . und da liegt die Chance.

wortstark : Wie begreift er die Chance von offenen Fragen?

Hajo Stabenau: Je offener und allgemeiner er fragen lernt, desto mehr Möglichkeiten entstehen für den anderen und auch für ihn selbst. So habe ich die beste Chance, durch den anderen aufgeklärt, erweitert, weiterentwickelt zu werden. Das mündet letztlich in Lernpartnerschaft.

wortstark : Nun möchte ich allerdings einschränkend dazusagen, dass der offene Dialog, den Sie ja hier beschreiben, zwar das qualitativ Beste ist, was Kommunikation werden kann. Aber im Alltag geht es oft nur darum, Dinge schnell und effizient abzustimmen. Da haben ja geschlossene Fragen durchaus ihren Platz und ihre Berechtigung.

Hajo Stabenau: Okay, zugegeben. aber in meinem Kommunikationsanliegen geht es nicht in erster Linie um Effektivität, also um Schnelligkeit, um Produktorientierung, um das Sachliche. Sondern gleichwertig ist mir die Beziehung, die Effizienz von Kommunikation. Leider wird das umgangssprachlich oft gleichgesetzt. Die Effektivität meint nur das nackte Ergebnis. Die Effizienz meint: Wie angenehm war eigentlich der Weg mit dir zu diesem Ergebnis? Mögen die zwei sich nach stressiger Zusammenarbeit eigentlich noch? Können sie sich sagen: „Wir sind Partner geworden dabei“ . oder „Wir sind reifer geworden“? Wenn diese Botschaft von der Wichtigkeit der Beziehung plausibel gemacht werden kann, dieser Wert von Mitmenschlichkeit, dann wird ein Training der Kommunikation und Kooperation glaubwürdiger. Glaubwürdigkeit ist das A und O.

wortstark : Was zeichnet für Sie denn einen guten Kommunikationstrainer aus, was nicht?

Hajo Stabenau: Erstmal muss er eine hinreichende Grundbildung haben in Kommunikationsskills, zum Beispiel Aktives Zuhören, Betonung der Subjektivität, Feedbackgeben – das letztere nicht umgangssprachlich verstanden als Lob und Tadel, sondern einfach als Wirkungsrückmeldung, ohne den anderen zu belehren oder verändern zu wollen. Zweitens sollte er nicht absolute Wahrheiten vertreten, sondern betont subjektive Wahrheiten anbieten. Früher waren Trainings mehr stoff- und skillorientiert. Heute geht es nicht darum, einfach altes, falsches Verhalten durch neues, richtiges Verhalten zu ersetzen, sondern es geht um das Angebot glaubwürdiger Alternativen. Drittens gehört der offene Umgang mit Werthaltungen bei Profis dazu. Werte wie Toleranz, Respekt, Fairness. Wenn das in einem Training fehlt, dann ist es totes Lernen, akademische Wissensanhäufung ohne Nachhaltigkeit. Ein Kommunikationstrainer, der seine Werte und seine Lehre selber glaubwürdig vorleben kann, der zieht andere an. Ich bin mir schon bewusst, dass das bei mir einen großen Teil des Erfolgs ausmacht. aber ich fühle mich immer noch auf dem Weg.

wortstark : Ja, stimmt, das mit dem Leute anziehen kann ich nur bestätigen. Ich war ja schließlich auch Teilnehmerin in Trainings von Ihnen und habe mich dort auch umgehört. – Kommen wir zur nächsten Frage: Weihnachten steht vor der Tür und mein Eindruck ist, mit dem Fest stehen alle Jahre auch kleinere und größere Familiendramen bevor. Wie kommt es, dass viele von uns angesichts von Eltern, Geschwistern und anderen Verwandten so schnell ihre kommunikative Kompetenz vergessen und weder aktiv zuhören, geschweige denn alte Konflikte professionell kitten oder neue verhindern können?

Hajo Stabenau: Ich kenne die Situation nicht nur von Weihnachten, sondern auch von anderen großen Familienfeiern wie z.B. runden Geburtstagen und Jubiläumsfeiern. Den Hauptgrund für Dramen sehe ich in den zu hohen Erwartungen. Eigentlich erhofft sich jeder ja nur ein paar entspannte, besinnliche, vergnügliche Stunden. Tatsächlich kommt aber jeder mit einem Paket von Stress und unverarbeiteter Spannung. Und jeder hat andere Vorstellungen, wie man sich gemeinsam entspannen und fröhlich sein kann. Hilfreich wäre eine Bereitschaft, diese Unterschiedlichkeit in den Erwartungen zu akzeptieren, sie offenzulegen und im Gespräch nach gemeinsamen Lösungsmöglichkeiten zu suchen.

Ein persönliches Beispiel: Es gab bei mir zuhause jedes Jahr Ärger um den Weihnachtsbaum, den ich gemeinsam mit meiner Tochter besorgte. Mal war er zu groß, dann musste man sägen. Mal war er zu teuer, mal war dies und mal war das. Irgendwann sagte mein Sohn, er bräuchte überhaupt keinen Baum. Meine Frau hat sich ihm angeschlossen, ein paar geschmückte Zweige täten es auch. Meine Tochter und ich waren betroffen, unser geliebtes Ritual . wurde von den anderen offensichtlich nur ertragen! Wir haben festgestellt, dass wir dazu bisher nie eine richtige Aussprache und nach Alternativen gesucht hatten. Heute ist es einfacher, weil wir mehr voneinander wissen, was jeder erwartet und mit Weihnachten verbindet. Wir wechseln uns in der Gestaltung ab.

Ein weiterer wichtiger Grund ist unerledigte Kommunikation über Reizthemen, die im Alltag wie Leichen voreinander hergeschoben werden. Klassische Themen sind zum Beispiel verschiedene Stile der Kindererziehung und unterschiedliche Anpassung an die Leistungsgesellschaft.

wortstark : Aber wie könnten die Leute damit besser umgehen?

Hajo Stabenau: Der Idealfall wäre, solche Unterschiedlichkeiten im Frieden und mit Respekt durchzusprechen, aber ohne das komplexe Umfeld einer Familienfeier. Aber das setzt viel Bereitschaft und auch Einübung voraus. Und wenn ein Thema lange Zeit Tabu war, gibt es oft eine Form von kommunikativer Ohnmacht. Um bei meiner eigenen Familie zu bleiben: Ich kann mit einer Schwester inzwischen über Erziehungsstile reden, mit der anderen nicht. Es war mir hilfreich, mich einzeln und ohne konkreten Anlass mit jeder zu unterhalten.

wortstark : Danke. Eine weitere Weihnachtsfrage bitte: Mehr als bei Familienfeiern steht ja am 24.12. das Thema Schenken im Raum. Für mich sind Geschenke der materialisierte Ausdruck der Beziehung. Ich meine: Stimmt die Beziehung, passt meistens auch das Geschenk. Stimmt die Beziehung zwischen zwei Menschen aber nicht, gerät potenziell jede Geschenkidee zum Frontalangriff. Egal was es ist, da kann blitzschnell negativ interpretiert werden – mit Enttäuschungen und Verletzungen auf beiden Seiten. Wie sehen Sie dass Sie den Zusammenhang von Geschenk und Beziehung?

Hajo Stabenau: Ich sehe das schon auch so, dass Geschenke Ausdruck von Beziehungen sind. Und ich kann auch die Enttäuschungen verstehen, die damit zusammenhängen können. Aber Geschenke sind eben nicht die einzige Möglichkeit, Beziehungen auszudrücken. Ich wende mich gegen die Ausschließlichkeit in Ihrer Aussage, denn es gibt auch noch andere Möglichkeiten. Außerdem will Schenken gelernt sein. Bei vielen Menschen geht es nicht um groß oder teuer, sondern um Nähe und Verstandensein, um gewürdigt werden und Unterstützung bekommen.

wortstark : Und wenn das nicht klappt oder geklappt hat? Was raten Sie dem oder der Schenkenden?

Hajo Stabenau: Darüber reden! Sich mit-teilen! Anspüche wechselseitig relativieren. Und nicht zuletzt: Sich anstrengen, auf den zu beschenkenden Menschen mehr einzugehen.

wortstark : Und was sagen Sie unglücklich Beschenkten?

Hajo Stabenau: Er oder sie muss sich fragen: Was habe ich eigentlich genau erwartet? Habe ich das nicht konkret genug mitgeteilt? –

wortstark : – Entschuldigung, aber verkommt ein Geschenk dann nicht leicht zur Bestellung?

Hajo Stabenau: Ja, ich stimme Ihnen zu: das sehe ich auch als ein Risiko. Es geht mir auch nicht um Instrumentalisierung im Vorhinein. Sondern – nachdem geschenkt wurde, evtl. auch deutlich später, kann man darüber reden und sagen, was einem wichtig war und was gewirkt hat. Das wirkt sich dann vermutlich bei den nächsten Geschenkanlässen aus. Aber bitte: es ist ein behutsames Aufeinanderzugehen .

wortstark : Okay, danke, aber ich hatte Sie unterbrochen. Was soll der oder die unglücklich Beschenkte sich noch fragen oder sagen – direkt an Weihnachten?

Hajo Stabenau: Eine wichtige Grundeinstellung scheint mir zu sein, daran zu glauben, dass der andere immer eine gute Absicht hatte. Diese liegt manchmal nicht sofort auf der Hand, es gilt, sie zu erforschen. Der unglücklich Beschenkte möge also nicht einfach seine Enttäuschung über das unpassende Geschenk wiedergeben, sondern auch versuchen, diese Unterschiedlichkeit in der wechselseitigen Interpretation einer guten Absicht zu verstehen. Der andere ist vielleicht bis oben hin voll mit Arbeit und gerade dann soll er auch noch ahnen, was genau das richtige Geschenk ist. Und wehe, wenn es ihm nicht gelingt.

wortstark : Moment, da möchte ich nochmal einhaken, weil das sehe ich auch als typisches Männer- und Frauenthema, Sie sprechen ja hier glaub ich auch aus der Männersicht, „wehe, wenn ihm das nicht gelingt“. Für mich ist das Schenken tatsächlich auch so eine Art Beziehungstest. Ich kenne das auch von Freundinnen. Manche Männer haben nämlich anscheinend nie die passenden Rahmenbedingungen, um zu erfassen, was ihre Frauen sich wünschen. Ist das nicht verdächtig?

Hajo Stabenau: (lacht) Es ist auch verdächtig, wenn Frauen ihren Männern Fallen stellen. Und ein Test ist für mich eine solche Falle. Der Mann bekommt keine Hinweise oder Hilfestellungen, sondern die Frau wartet, ob er alleine darauf kommt oder reinfällt. Und wenn sie dann aus dem „falschen“ Geschenk ableitet, sie werde nicht geliebt, dann wird den beiden das in ihrer Beziehung wenig Freude machen und sie nicht weiterbringen.

wortstark : Was bringt sie denn stattdessen weiter?

Hajo Stabenau: Also, vielleicht gilt doch noch: nimm die Absicht für die (eigentliche) Tat!

Ansonsten möchte ich bei diesem Geschenkethema unterscheiden zwischen einer Partneraussage über ein Verhalten und einer Beziehungsaussage. Die Partneraussage ist direkter, spontaner, subjektiver und bezieht sich konkret auf das unpassende Geschenk. Es geht also eher um ein Detail. Aber die Beziehungsaussage ist das, was aus diesem punktuellen Vorfall grundsätzlich abgeleitet wird, hier von der Frau. Diese Aussage gilt dann für beide, sie gilt absolut und es gibt in der Breite kaum mehr eine Chance, sie zu relativieren.

wortstark : Hm, verstehe. Also aus der Mücke des falschen Geschenkes einen Elefanten der Beziehungskrise gemacht. Aber ganz direkt gefragt: Wie beschenken Sie denn Ihre Frau? Sie haben ja auch ständig sehr viel Arbeit?

Hajo Stabenau: Ich bemühe mich, schon unter dem Jahr Geschenkideen zu sammeln. Das funktioniert eigentlich ganz gut. Aber manchmal stellt sich dann heraus, dass meine Frau das zwar vor einem halben Jahr wichtig fand, aber inzwischen nicht mehr.. Manchmal gab es auch kein Geschenk, weil es uns an Weihnachten einfach nur wichtig war, in Ruhe zusammenzusein und zum Beispiel Ente essen zu gehen. Und wenn kein Einfall da ist für den Moment, dann gibt es eben einen Gutschein und wir machen etwas Schönes unter dem Jahr.

wortstark : Ja, kann ich mir auch gut vorstellen. Schließen wir nun mal einen Bogen von Weihnachten mit Konflikten und Geschenken zurück zur professionellen Kommunikation in Privatleben und Beruf: Wenn Ihnen etwas einfällt, was Ihnen sonst noch zu Ihrem Thema wichtig ist und worüber wir bisher nicht gesprochen haben, dann ist hier Raum dafür.

Hajo Stabenau: Meine Sorge ist – und gleichzeitig sehe ich das als die große Herausforderung, dass grundlegende Erkenntnisse in der Kommunikation von Vielen gewusst werden, aber immer noch nicht gelebt: Ich meine, dass im Arbeitsleben immer noch die Sachebene zu sehr im Vordergrund ist, und die Beziehungsebene zu sehr unterschätzt wird. Dabei sollte sie mindestens gleichwertig neben der Sachebene stehen und ihr eine notwendige Balance geben. Ich arbeite nach wie vor selbst daran.

wortstark : Ja, und weil Sie Ihre Überzeugungen so stark leben, finde ich Sie so glaubwürdig und bedanke mich nochmals sehr herzlich für dieses Gespräch.

Hajo StabenauSie erreichen Dipl. Päd. Hajo Stabenau unter E-Mail: HJStabenau@email.de oder unter Tel. 04931 – 984901.

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