Wege aus der Krise 3: Interims Managerin im Einsatz

Liebe Leserinnen und Leser,

es klingt nach einem bösen Traum, war aber leider böse Realität: Nie hätte ich mir träumen lassen, dass mich eines Tages nach schlusskorrigiertem Interview ein Mensch einfach hängen lässt und mir willkürlich, ohne jede Begründung nach vollbrachter Arbeit die Veröffentlichung verweigert. So geschehen vor einer Woche.

Wenn es wenigstens ein hochbrisantes Thema gewesen wäre, so etwas wie „Kommunikation nach Korruptionsskandalen“ (Ausgabe 48, 5/08) oder das „Wagnis des Vertrauens in der Versicherungswelt“ (Ausgabe 34, 11/06) oder „Interkulturelle Kommunikation“ (Ausgabe 17, 6/05), worüber sich Menschen richtig aufregen können und sich der Einzelne möglicherweise mit seiner Meinung exponierte. Nein, es war ein schlichtes Sprachthema. Und wie immer war ich bereit gewesen, jede nachträgliche Textänderung seitens meines Gesprächspartners zu übernehmen, damit mein Experte sich rundum wohl fühlt mit dem, was von und über ihn auf meiner Website zu lesen sein würde. Doch nicht einmal dieser maximale Zugriff war ihm sicher genug, er bekam kalte Füße mit der Veröffentlichung an sich, egal was da steht. Gibt es „Internetphobie“ eigentlich als anerkanntes modernes Krankheitsbild? Ausgerechnet an so einen Spezialkandidaten war ich jedenfalls nun geraten – nach acht Jahren Redaktion für mein Online-Medium zum ersten Mal.

Doch wenn die Lage aussichtslos erscheint und das Geschehen auf dem Tiefpunkt steht, geht es bekanntlich von dort aufwärts. Der böse Traum bekam noch ein gutes Ende: Innerhalb von drei Tagen sprang eine Interims Managerin ein, die damit ihrem Namen alle Ehre machte. Ich hatte ihr Thema eigentlich erst für 2010 eingeplant, aber so konnte ich mich wenigstens einfühlen in jene, die durch nicht absehbare Umstände schneller Hilfe bedürfen im Sinne eines beherzten Eingreifens, einer ruhigen Zielsicherheit und eines konsequenten, erfolgreichen Abschlusses von Projekten: Die Expertin dieser Ausgabe ist Birgit Ehrl-Gruber, Interims Managerin aus München, einer breiten Öffentlichkeit in der Industrie auch bekannt als langjährige Herausgeberin des Handbuches „Projekte erfolgreich steuern und umsetzen“ (WEKA-Verlag) sowie als Mitglied der Gesellschaft für Produktionsmanagement e.V. (GfPM).

Im nachfolgenden Gespräch lässt sie Sie hinter die Kulissen ihrer Einsätze bei verschiedensten Firmen blicken und Sie erfahren nebenbei ein paar interessante Aspekte des Auftragsmanagements, denn das ist der Funktionsbereich, in dem die Expertin ihre kommunikationsintensive Arbeit erbringt. Lesen Sie, wie Kommunikation im Management auf Zeit funktioniert.

Viel Freude bei der Lektüre, viel Erfolg beim Umsetzen Ihrer Erkenntnisse,

Ihre Annette Hartmann

Management auf Zeit: Kommunikation mit Mut und breitem Kreuz

wortstark: Frau Ehrl-Gruber, Sie sind Diplom-Kauffrau und seit neun Jahren selbstständig als Managerin auf Zeit. Wie hat sich der vorübergehende Einsatz zu Ihrem dauerhaften Geschäftsfeld entwickelt? Gab es hierfür ein Schlüsselerlebnis?

Birgit Ehrl-Gruber: Meine Selbständigkeit begann ganz normal als Beraterin, ich firmiere ja auch unter Ehrl-Gruber Consulting. So verliefen auch die ersten zwei Jahre meiner Selbständigkeit. Ich wurde in Unternehmen gerufen und um Rat gefragt, was sie denn machen sollten. Und dann kam ein Auftrag durch einen früheren Chef, der fragte, ob ich auch mal für ein halbes Jahr die Leitung eines Teams übernehmen würde. Zu dem Zeitpunkt hatte ich festgestellt: Beratung ist ja ganz nett, aber Selbermachen macht viel mehr Spaß… So übernahm ich dann für neun Monate die Logistik eines mit erheblichen Auftragsrückständen kämpfenden Automobilzulieferers. Das ist etwas, was ich vorher jahrelang als angestellte Managerin bei verschiedenen Firmen getan hatte.

wortstark: Das ist jetzt auch gleich meine Frage: Wieso nicht festangestellt? Wieso meinten Sie, das besser von außen machen zu können?

Birgit Ehrl-Gruber: Das hat im Wesentlichen private Gründe: Weil ich mich nämlich vor 13 Jahren entschlossen hatte, eine Familie mit zwei Kindern zu gründen und durch dieses Interims Management dann immer nur einige Monate weg bin. Meine Einsätze waren beispielsweise in verschiedenen Orten in Deutschland, in Spanien, in Ungarn… aber dann bin ich eben auch wieder mal drei bis sechs Monate zuhause.

wortstark: Und wie bekommt das den Kindern? Das ist doch ein ziemlicher Wechsel: Mal ist die Mama ständig da und dann ist sie wieder fast am Stück weg?

Birgit Ehrl-Gruber: Das bekommt den Kindern gut, denn wenn sie zu viel da ist, dann achtet sie auch sehr auf Schule, Klavierüben und so weiter und wenn sie wieder weg ist, relativieren sich die „negativen“ Einflüsse und sie wird dann wieder lieber gesehen… (lacht) Ansonsten hatte ich eben auch in meinen festangestellten Jobs bemerkt, dass wenn ich eine Abteilung aufgebaut hatte und es lief, dann war das zwei drei Monate ganz geruhsam und ganz angenehm, aber danach fing ich schon wieder an, mit den Füßen zu kratzen…

wortstark: Verstehe. – Sie haben es oben schon angedeutet, aber ich frage doch noch mal genauer nach: „Interim“ heißt ja vorübergehend. Was bedeutet das konkret, reden wir von Tagen, Wochen, Monaten oder Jahren?

Birgit Ehrl-Gruber: Meistens sechs bis neun Monate. In dieser Zeit kann man in dem Bereich, in dem ich tätig bin, reines Auftragsmanagement, die größten Prozessprobleme beseitigen und das Team dann wieder sich selbst beziehungsweise einem neuen Abteilungsleiter überlassen.

wortstark: Okay. Und was ist nun der Vorteil, wenn eine Firma sich nicht gleich jemand Neues sucht, sondern erstmal Ihre Dienste bucht?

Birgit Ehrl-Gruber: Der Vorteil ist, dass normalerweise, bis ein neuer Leiter in der Qualifikation gefunden wird, eben diese drei bis sechs bis neun Monate vergehen, je nach Kündigungsfristen der Kandidaten. Gerade im Auftragsmanagement gibt es oft nicht so viele Spezialisten. Das andere ist, dass meistens sehr schnell geholfen werden muss. Ich bekomme den Anruf und innerhalb von zwei, drei Wochen starte ich mit dem Auftrag, weil nämlich zu dem Zeitpunkt die Kunden meiner Kunden bereits sauer sind.

wortstark: Worüber sind die sauer?

Birgit Ehrl-Gruber: Weil zu spät geliefert wird, unvollständig geliefert wird, Zusagen nicht eingehalten werden. Ich bin kein Interims Manager, wie es in der Öffentlichkeit eher bekannt ist, die als Geschäftsführer oder Finanzvorstand einsteigen, sondern mein Spezialgebiet ist die Auftragsabwicklung.

wortstark: Gut. Lassen Sie uns nun verstärkt auf die Unternehmenskommunikation eingehen. Mich interessiert, wie Sie innerhalb kürzester Zeit in Erfahrung bringen, woran die Firma krankt oder der Funktionsbereich, welchen Sie betreuen.

Birgit Ehrl-Gruber: Die ersten Problemschilderungen erhalte ich natürlich von meinem Auftraggeber, das ist normalerweise die Geschäftsleitung, die mir das Leid klagt, das der Kunde bereits bei ihnen abgeladen hat. Das ist dann gleichzeitig die eigene Sichtweise des Problems. Danach habe ich eine ausführliche Checkliste, die ich als Interviewleitfaden im Hintergrund verwende. Ich spreche mit allen Menschen im Team, mit dem Umfeld dieses Teams, zum Beispiel mit den Bereichsleitern angrenzender Bereiche, denn Auftragsmanagement ist ja die Spinne im Netz. Das heißt, wir haben es mit dem Vertrieb zu tun, mit der Konstruktion, mit der Produktion, mit der Auslieferung, mit der Montage, aber zum Beispiel auch mit der Buchhaltung.

wortstark: Ein Beispiel bitte!

Birgit Ehrl-Gruber: Wenn der Lieferant nicht liefert, weil die Rechnung nicht bezahlt wurde, dann können wir wiederum unseren Kunden nicht liefern. Das heißt, ich bin die erste Woche nur am Zuhören und Mitschreiben. Mehr als zehn Tage habe ich dafür meistens nicht, und produziere in der Zeit schon die ersten Ideen. Danach beginnt das aktive Handeln. Deswegen arbeite ich gestuft: Das erste Mal „warum“ fragen und schnell die ersten Symptome beheben. Dabei vergesse ich aber nicht, immer weiter „warum“ zu fragen, bis ich nach den berühmten fünf „Warums“ bei den eigentlichen Ursachen des Problems ankomme und die nächsten Wochen an deren Behebung arbeite.

wortstark: Das klingt jetzt ein bisschen abstrakt. Könnten Sie uns, unter Wahrung des Datenschutzes, irgendwie mehr erzählen? Wie kommen Sie von den vorgeschobenen oder vordergründigen Gründen zu den tieferen?

Birgit Ehrl-Gruber: Das Beispiel eben war ja: Der Lieferant liefert nicht. Der Einkäufer wusste nur diese Information. Deswegen war mein erster Anruf natürlich beim Lieferanten und ich erfuhr, warum er nicht liefert: Eine Rechnung war nicht bezahlt worden. Dann marschierte ich zur Buchhaltung und erfuhr, warum diese Rechnung offen geblieben war: Weil in der Lieferung eine Mengendifferenz auftrat und der Einkäufer die Lieferung deshalb nicht abgenommen hatte. Warum trat die Mengendifferenz auf? Weil das System diese Mengendifferenz gemeldet hatte. Und dann stellte sich heraus, dass in der SAP-Einstellung eine zu enge Grenzwertdarstellung vorgenommen wurde und der Einkäufer nicht wusste, wie er das umgehen konnte und es ihm irgendwann auch mal egal war.

wortstark: Also sprich: Das Problem war dann doch im Haus entstanden, selbst gemacht…?

Birgit Ehrl-Gruber: Meistens, ja. Und dann ist bei den Teams, wo ich einsteige, oft schon eine hohe Frustration vorhanden, weil sich die Kunden natürlich erstmal im Auftragsmanagement beschwert hatten und als sie da nicht mehr weiterkamen, bis zur Geschäftsleitung hochmarschiert sind und das Team dann oft schon resigniert hat. Da ist es oft erstmal meine Aufgabe, dass ich die Kundenanrufe annehme…

wortstark: Echt? So praktisch läuft das dann? Obwohl Sie die Managerin sind? Sitzen Sie dann in der Hotline oder wie?

Birgit Ehrl-Gruber: Nicht in der Hotline, das sind keine technischen Kundenfragen. Sondern der Kunde ruft an und fragt, warum seine Ware nicht kommt und wann sie nun stattdessen kommt. Diese Kundenbetreuung übernehme ich dann vorübergehend, weil die Leute in der Abteilung oft nicht mehr in der Lage sind, mit dem Kunden vernünftig zu reden, weil sie einfach frustriert bis auf die Knochen sind. Da nehme ich erstmal den Druck raus, die dürfen das auf meinen Schultern abladen und dann bringe ich die Leute mit vernünftigen Hilfsmitteln wieder dahin, dass sie ihre Aussagen wieder gerne treffen und auch wieder dahinter stehen können.

wortstark: Wenn ich das jetzt mal zusammenfasse, sind Sie so eine Art Kummerkasten für die KundInnen aber auch für die internen Leute, wenn die dann so frustriert sind. Wie tragen Sie das denn selber? Oder wie motivieren Sie denn in so einer verfahrenen Situation sich selbst oder die anderen?

Birgit Ehrl-Gruber: Indem ich natürlich weiß, an welchen Stellschrauben ich zu drehen habe und mir schnell die Hilfsmittel schaffe. Es gehört ja auch zu meinen Spezialitäten, dass ich weiß, wie ich aus Daten wirklich Informationen mache.

wortstark: Ha! Das riecht nach einem wichtigem Punkt: Mehr dazu bitte!

Birgit Ehrl-Gruber: Es gibt in den meisten Firmen jede Menge Kennzahlen, aber die sind selten so aufbereitet, dass die Leute wirklich damit arbeiten können. Eine Kennzahl, am besten als Grafik die ich sehe, kann bei guter Aufbereitung zum Denken anregen. Diese Sachen entwickle ich in den ersten drei, vier Wochen und dann kann jeder täglich zeitnah schauen, wie läuft denn der Hase.

wortstark: Aha, also das ist dann das berühmte Monitoring. Aber Kennzahlen entstehen doch immer erst deutlich im Nachhinein, also wenn der Geschäftsvorgang herum ist. Wie können Sie da so tagesaktuell arbeiten?

Birgit Ehrl-Gruber: Ich arbeite ja nicht mit Finanzkennzahlen sondern mit den Zahlen aus der Logistik. Wenn ich zum Beispiel die Liefertermintreue anschaue, dann weiß ich jeden Abend, ob ich sie eingehalten habe oder nicht. Das gibt inzwischen jedes normale EDV-System her. Häufig sind das auch ganz simple Strichlisten. Ich war zum Beispiel mal bei einem Montagebereich eingesetzt, die hatten bis dahin eine Vorgabe von „Sie müssen vier Millionen Euro im Monat abliefern“. Das sagt einem Monteur überhaupt nichts, und vor allem war da noch der ganze Rückstand eingearbeitet. Das erste, was ich gemacht habe, war ein Gespräch mit dem Montageleiter, in dem ich mich erkundigte: „Wie viele Stücke am Tag schafft Ihr denn?“ Dann kam heraus: „Von dieser Sorte acht, von dieser Sorte zehn“. Daraus habe ich ganz simple Grafiken gebaut, wie viele Stückzahlen bezogen auf die einzelnen Produktgruppen machbar sind, und dann täglich ausgehängt: Wie ist der Soll-Zustand, wie ist der Ist-Zustand? Mit dieser simplen Grafik haben wir den Rückstand innerhalb von fünf Monaten abbauen können. Vorher war es einfach eine Linie, die nach Wolkenkuckucksheim ganz nach oben ging, von der jeder wusste: Die erreichen wir am Ende des Monats sowieso nicht. Aber jetzt gab es diese acht Stück am Tag, und die Leute hatten ja vorher selber gesagt, acht Stück sind machbar. Ich war dann ständig dort und habe gefragt: Warum habt Ihr heute nur sieben geschafft? Gestern aber neun Stück? Was müssen wir wiederholen, damit Ihr immer neun Stück schafft?

wortstark: Aha. Gutes Beispiel jetzt, finde ich. Für die Produktion ist mir das klar, bei denen ist ja es auch noch irgendwie greifbar und anschaulich. Doch wie motivieren Sie die anderen, die einfach sagen: „Ich habe keine Lust mehr“?

Birgit Ehrl-Gruber: Die Aussage kommt so nicht. Die Leute wollen eigentlich. Sie sind normalerweise nur frustriert. Oder sie trauen sich nicht. Wenn sie aber merken, es hört jemand zu, und es nimmt ihnen jemand im Zweifelsfall auch mal einen unangenehmen Anruf ab, wendet sich das Blatt. Und wenn sie dann noch mitbekommen, dass es funktioniert, wenn man dasteht und einen Kunden anruft und zugibt, ja wir schaffen es in zwei Wochen nicht, aber dafür in drei Wochen und daran halten wir uns dann auch, dann gibt ihnen das Mut und zeigt, das es doch sinnvoller ist als dem Kunden etwas zu versprechen, wo ich zwar in dem Moment eine Erleichterung habe aber schon vorher weiß, dass ich es nicht halten kann. Man muss nicht immer Ja und Amen sagen, wenn der Vertrieb oder der Kunde oder die Geschäftsleitung etwas will, von dem ich schon weiß, dass es nicht funktioniert. Die Mitarbeiter müssen einfach auch lernen, zu ihrem eigenen Wissen zu stehen. Ansonsten gab es natürlich auch schon in Abstimmung mit der Bereichsleitung einen Austausch von Mitarbeitern, wenn wirklich überhaupt nichts mehr ging, weil der falsche Mitarbeiter auf dem falschen Job war. Aber das war vielleicht zwei Mal der Fall.

wortstark: In neun Jahren…

Birgit Ehrl-Gruber: In sieben als „Manager auf Zeit“.- Kommunikation heißt für mich im Wesentlichen faktenbasiert arbeiten. Nicht die Leute im Jammern drin lassen, „ach, wir haben ja so viele Fehlteile und alles ist so schlecht und schlimm“, sondern nachfragen: WWas genau ist schlecht? Was genau ist schlimm? Welches sind genau die Fehlteile? Wie ist es dazu gekommen?“ Damit nehme ich die Emotionen heraus, und gehe auf die konkreten Fakten.
Das andere ist, was im Ausland nur bedingt machen konnte, aber in Deutschland immer: Dass ich mich mit den Leuten aus der Produktion an den Kaffeeautomaten stelle und höre, wie aus ihrer Sicht die Fertigungssteuerung abläuft, oder die Materialversorgung. Da kommen oft sehr interessante Informationen von den Leuten, die täglich mit den ganzen Dingen leben und oft auch leiden müssen, wenn sie dann ihre 500 Teile für den Zusammenbau eines Montageteils nicht oder doch zusammenbekommen. Da kommen oft ganz pfiffige Ideen heraus, wie die sich zu helfen wissen. Als Interimsmanagerin habe ich zwar viel Erfahrung, aber auch ich habe die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen, das heißt, ich lebe natürlich auch von Informationen, die aus dem Team rauskommen.

wortstark: Ja. Meine nächste Frage bezieht sich dann auch auf das Rauskommen: Wenn Sie zu den MitarbeiterInnen eine so starke Kommunikation aufbauen, kann es dann nicht passieren, dass sie sich so sehr an Sie gewöhnen, dass Sie bei Ihrem Abschied eine Riesenlücke reißen?

Birgit Ehrl-Gruber: Nicht unbedingt. Normalerweise gehe ich nicht, ohne meine Hilfsmittel zu hinterlassen, samt genauen Prozessbeschreibungen, also was und wie es zu tun ist. Und zum anderen wird normalerweise dann ein neuer Logistikleiter oder ähnliches von mir noch eingeführt, der die Sache anschließend festangestellt übernimmt.

wortstark: Das muss aber dann zeitlich erstmal funktionieren, denn wenn Sie sagen, dass die Gewinnung der neuen Leitungsperson zwischen sechs und neun Monaten dauert, und das ist genau die Phase, wo Sie dort sind, dann müssen die den neuen Menschen schon ziemlich schnell finden, oder?

Birgit Ehrl-Gruber: Ja, das läuft ja parallel im Normalfall und dann geht es. Manchmal ist aber auch ein Logistikleiter da, der nur einen Engpass hat und überlastet ist. Dann unterstütze ich den nur.

wortstark: Aha, es ist also nicht immer so, dass anschließend jemand Neues kommt. Wenn nun eine Firma überlegt, sich einen Interims Manager ins Haus zu holen. Worauf möge sie aufpassen, damit das gut geht?

Birgit Ehrl-Gruber: Der Auftraggeber muss im Wesentlichen auf die genaue Aufgabenbeschreibung aufpassen. Was genau soll dieser Manager wirklich machen? Soll der ein Finanzmensch sein, der den Kontakt mit den Banken hält? Muss es jemand sein wie ich, der im Auftragsmanagement im Kontakt mit den Kunden und mit der Konstruktion und Produktion halten kann? Muss es jemand sein, der rein im einkäuferischen Bereich arbeitet, zum Beispiel Beschaffungsmarketing macht, die Märkte kennt und sich auf bestimmte Produkte oder Materialien spezialisiert hat? Also genaue Aufgabenbeschreibung.
Und das zweite ist: Ein Interims Manager im Auftragsmanagement ist hierarchisch häufig „nur“ im Rang eines Abteilungsleiters angesiedelt, hat aber gleichzeitig den Durchgriff bis hoch in die Geschäftsleitung. Wenn ich anrufe, bekomme ich dort sofort Termine und das ist auch nötig. Gleichzeitig arbeite ich aber auch bis ganz nach „unten“ in die Produktion und Montage hinein. Ich kann mich also da frei schwebend bewegen. Das muss man aber auch einem Interims Manager auch zugestehen, dass es etwas neben der Hierarchie arbeitet. Und dafür muss ganz besonders die Chemie zwischen den Menschen stimmen, darauf sollte der Auftraggeber achten.

wortstark: Ja. Es kann ja nicht jeder gleich gut mit allen Ebenen. Es gibt Leute, die können gut mit den Menschen im Blaumann. Andere können nur gut mit den SchreibtischtäterInnen. Es gibt ja nicht so viele, die das gesamte Spektrum an Ebenen gleich gut adressieren können, mal abgesehen von den Individuen in einer Firma…?

Birgit Ehrl-Gruber: Die besondere Anforderung habe ich aber auch nur im Auftragsmanagement. Wenn ich mir einen Interims Manager im Einsatz als Konkursverwalter vorstelle, dann muss der vor allem erstmal mit der Geschäftsleitungsebene kommunizieren können. Nur wenn ich einzelne Aufträge durch das gesamte Unternehmen hindurchtrage, nur dann muss ich mit jedem in der Firma umgehen können. Da darf man halt keine Berührungsängste haben. Letztlich kocht jeder nur mit Wasser.

wortstark: Hm, das klingt jetzt aber auch bescheiden, falls Sie sich auch selbst damit meinen. Apropos bescheiden: Was kostet denn Ihr Einsatz?

Birgit Ehrl-Gruber: Der Einsatz eines Interims Managers ist natürlich teurer als ein festangestellter Manager, aber er ist ja auch nur für einen begrenzten Zeitraum da und hat in dieser Zeit höhere Anforderungen zu erfüllen. Seine Einarbeitungszeit ist definitiv kürzer.

wortstark: Könnten Sie ohne Zahlen zu nennen zumindest eine Relation herstellen, was Ihr Einsatz kostet, im Vergleich zum Festangestellten?

Birgit Ehrl-Gruber: Für den Vergleich müsste man jetzt noch die ganzen Lohnnebenkosten hineinrechnen, aber mal über den Daumen können das bis zu fünfzig Prozent mehr sein.

wortstark: Ui… Aber es lohnt sich anscheinend für die Firmen, sonst würden sie sich ja Sie nicht holen. Kommen wir zur offenen Frage: Wenn Ihnen aus Ihrem Kontext noch etwas einfällt, was hier nicht angesprochen wurde, aber Ihnen wichtig ist, dann finden Sie hier Raum dafür.

Birgit Ehrl-Gruber: Eine wichtige Erfahrung, die ich im Auftragsmanagement, egal ob festangestellt oder Interims Managerin gemacht habe, ist die Bedeutung der Ehrlichkeit. Es ist besser, klar zu sagen „ich schaffe es nicht“, als unter Druck irgendwas zuzusagen und es dann nicht zu schaffen. Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich nämlich als Firma leider nicht gänzlich ungeniert. (lacht)

wortstark: (lacht) Sondern?

Birgit Ehrl-Gruber: Dann wird man einfach unglaubwürdig. Die Firmen leben auch von dem Vertrauen untereinander. Und wenn der Kunde weiß, okay, sie sagt drei Wochen, die drei Wochen schmecken mir zwar nicht aber wenn ich weiß, nach den drei Wochen habe ich meine Ware, ich kann mich darauf verlassen, dann ist das das Wesentliche, was ich meinem Team dann auch hinterlasse. Dass sie stark sind und zu dem eigenen Wissen stehen können: Wir brauchen diese drei Wochen.

Und dass sie auch lernen, mit den Lieferanten anders und ehrlicher umzugehen. Wenn der seinerseits nicht liefern kann, in die Verhandlung zu treten und vorzuschlagen, wenn er nicht das komplette Paket liefern kann, dann vielleicht morgen schonmal zehn Stück und dafür etwas anderes zurückstellen? Das ist ein Geben und Nehmen – ohne dass es allerdings zur Mauschelei wird. Da muss man natürlich höllisch aufpassen. Aber eben auch nicht päpstlicher sein als der Papst. Geschäftsbeziehungen gilt es auf gegenseitiger Ehrlichkeit aufzubauen. Ehrlichkeit ist meistens nicht das Einfachere, sondern einfacher wäre die Zusage „jaja, wir schaffen das schon“. Und dann ziehen alle den Kopf ein, wenn der Kunde anruft und sich beklagt, dass die Ware nicht gekommen ist. Nicht warten, bis der Fehler entdeckt wird, sondern proaktiv handeln. Dazu gehört Mut und ein breites Kreuz. Das ist natürlich auch der Vorteil eines Interims Managers, der hat sowas nur begrenzte Zeit auszuhalten und ich habe danach wieder meine „Familienerholungsphasen“.

wortstark: Dadurch ist mit dem Interims Management das Familien- und Berufsvereinbarungsthema berührt. Sie sind sozusagen ein lebendes Beispiel, wie hochqualifizierte Frauen –

Birgit Ehrl-Gruber: Und Männer! Das nervt mich immer besonders, wenn die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nur auf Frauen bezogen wird! Ich frage oft hochqualifizierte Männer, wie sie eigentlich ihren Job mit ihrem Privatleben vereinbaren, da reagieren viele ganz verwirrt.

wortstark: Ja, Moment, mein Satz wäre ja noch weitergegangen (lacht): Interims Management ist somit eine Idee, wie hochqualifzierte Frauen UND MÄNNER Familie und Beruf unter einen Hut bekommen können – puh, gerade noch die Kurve gekriegt… (lacht) Frau Ehrl-Gruber: Vielen Dank für dieses hochinteressante und sympathische Gespräch. Und einen Extra-Dank für Ihren schnellen Einsatz. Ganz Interims-Managerin eben.

Birgit Ehrl-GruberSie erreichen Birgit Ehrl-Gruber unter Tel. 089 – 89 55 98 30
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Website: www.ehrl-gruber.de

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